Äußerungen zu Armenien Türkei erbost über Papst Franziskus

Ankara · Franziskus hat die Massaker an den Armeniern als erster Papst als "Völkermord" bezeichnet und damit für diplomatische Aufregung gesorgt. Die Türkei reagierte verärgert auf die Äußerungen. Diese seien "weit entfernt von der historischen Realität".

 Der Heilige Vater im Petersdom.

Der Heilige Vater im Petersdom.

Foto: dpa, drn pt

Vor armenischen Gläubigen sagte Franziskus am Sonntag im Petersdom, ihr Volk habe den ersten Genozid des vergangenen Jahrhunderts erlebt. Die Türkei bestellte daraufhin den Gesandten des Vatikan ein und berief zugleich den eigenen Botschafter am Heiligen Stuhl zu Konsultationen nach Ankara.

Die Menschheit habe im vergangenen Jahrhundert drei große Tragödien erlebt, sagte der Papst. Die erste dieser Tragödien, die "weithin als 'erster Völkermord des 20. Jahrhunderts' gilt", habe das armenische Volk getroffen. Hundert Jahre nach den Massakern an den Armeniern erinnere sich die Menschheit an dieses "tragische Ereignis, diese ungeheure und sinnlose Vernichtung, deren Grausamkeit eure Vorfahren erlitten haben", sagte Franziskus bei de Messe zum Gedenken an den Massenmord vor hundert Jahren. Sich zu erinnern, sei eine Pflicht. "Denn wenn die Erinnerung schwindet, hält das Böse die Wunde weiter offen."

Am 24. April 1915 hatte die damalige Regierung des Osmanischen Reiches mit der Verhaftung und Verfolgung der Armenier begonnen. In den folgenden zwei Jahren fielen nach armenischen Angaben bis zu 1,5 Millionen Angehörige der Minderheit einem gezielten Völkermord zum Opfer. Die Türkei weist diesen Begriff zurück und spricht von einigen hunderttausend Toten durch Kämpfe und Hungersnöte während des Chaos des Ersten Weltkriegs.

An der Messe nahmen der armenische Patriarch Nerses Bedros XIX. Tarmuni und Armeniens Präsident Sersch Sarkissjan teil. Ob der Papst den Begriff Völkermord benutzen würde, war im Vorfeld mit besonderer Spannung erwartet worden. Franziskus berief sich in seiner Predigt auf eine Erklärung von Papst Johannes Paul II. und dem armenischen Patriarchen, in der diese bereits 2001 von einem Völkermord gesprochen hatten.

Die Türkei reagierte verärgert auf die Äußerungen des Papstes. Diese seien "weit entfernt von der historischen Realität", erklärte Außenminister Mevlüt Cavusoglu auf Twitter. Sie könnten "nicht akzeptiert" werden. "Religiöse Autoritäten sollten nicht durch haltlose Anschuldigungen Vorurteile und Hass schüren", fügte Cavusoglu hinzu.

Laut mehreren Fernsehsendern bestellte sein Ministerium den Gesandten des Vatikans in Ankara ein. Außerdem rief die türkische Regierung den eigenen Botschafter am Heiligen Stuhl nach Ankara. Botschafter Mehmet Pacaci sei für Konsultationen in die Türkei bestellt worden, erklärte das Außenministerium.

Der Papst sagte, die beiden anderen Völkermorde des 20. Jahrhunderts seien von "dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus" verübt worden. In jüngerer Vergangenheit habe es aber noch weitere Massenmorde gegeben, etwa in Kambodscha, Ruanda, Burundi und Bosnien.

Der Papst ging in seiner Predigt auch auf die Verfolgung religiöser und ethnischer Minderheiten in der heutigen Zeit ein, etwa durch die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak. Die Welt erlebe heute wieder "eine Art Genozid, der durch die allgemeine und kollektive Gleichgültigkeit verursacht wird", sagte der 78-jährige Argentinier. Wieder sei der "erstickte und vernachlässigte Schrei" von Menschen zu hören, die "enthauptet, gekreuzigt, lebendig verbrannt oder gezwungen werden, ihr Heimatland zu verlassen".

(AFP)
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