Interview mit Vincent Muller "Wir dachten, wir sind über den Berg"

Düsseldorf · Gerade erst hat der französische Generalkonsul in Düsseldorf, Vincent Muller, fröhlich das Frankreich-Fest in der Landeshauptstadt gefeiert. Nun erschüttert der Terror in Nizza die Franzosen in der Region. Warum sein Land besonders betroffen ist und warum er sich trotzdem die Kirmes nicht nehmen lassen wird, sagt er im Interview.

 Generalkonsul Vincent Muller (links) gemeinsam mit Botschafter Philippe Etienne beim Frankreichfest 2015.

Generalkonsul Vincent Muller (links) gemeinsam mit Botschafter Philippe Etienne beim Frankreichfest 2015.

Foto: Anne Orthen

Herr Generalkonsul, wie haben Sie von den schrecklichen Ereignissen erfahren?

Muller Ich habe von dem unglaublichen Anschlag heute Morgen im Radio erfahren. Ich war fassungslos. Meine Gedanken waren zuerst bei den Opfern, den Toten, Verwundeten und den Hinterbliebenen. Als ich ins Büro kam, habe ich sofort mit der Botschaft in Berlin und dem Krisenstab im Außenministerium telefoniert und gefragt, ob es Deutsche unter den Opfern gibt oder Angehörige von Franzosen, die hier in Düsseldorf leben. Wir warten noch auf Einzelheiten über dieses Drama.

Warum immer wieder Frankreich?

Muller Darauf gibt es keine einfache Antwort. Wir sind nah an den großen Krisenherden rund ums Mittelmeer und engagieren uns weltweit für Frieden und Sicherheit. Wir spielen eine wichtige Rolle auf der internationalen Bühne — und das wird auch von unseren Gegnern wahrgenommen. Mit unseren Partnern in der EU und der Nato sind wir Schild und Schwert für Europa.

Und stehen deshalb besonders im Fokus der Terroristen?

Muller Wir dachten, wir sind nach der EM ohne Terroranschläge über dem Berg. Die Regierung wollte den Ausnahmezustand eigentlich beenden. Nun wird er verlängert. Das ist notwendig für die Arbeit der Polizei und der Geheimdienste sowie für das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates

Die Terroristen sind Franzosen. Sie kommen aus Ihrem Land.

Muller Diese Leute haben sich nie als Franzosen gefühlt, ob sie in meinem Land geboren oder später eingebürgert wurden. Da kann man Pässe verteilen, wie man will. Solche Verbrecher sind nie in der République angekommen. Aber ich warne davor, jetzt die Franzosen mit nordafrikanischer Herkunft ins Visier zu nehmen. Wir können nicht sagen, dass unsere Integrationspolitik schuld ist an den mörderischen Terroranschlägen. Es leben in Frankreich Hunderttausende Tunesier, die ein friedlicher Teil der Gesellschaft sind. Ein Freund von mir ist mit einer Tunesierin verheiratet und eines meiner Lieblingsrestaurants in Paris wird von einem Tunesier geführt. Wir müssen jetzt mit Ruhe auf die Ergebnisse der Ermittlungen warten.

Wie sehr schmerzt der Anschlag am französischen Nationalfeiertag?

Muller Die Symbolkraft ist gewaltig . Das ist das Perfide an dem Terror, der seine Ziele genau auswählt. Unser Nationalfeiertag steht für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das sind auch die Werte des Abendlandes. "Liberté" schweißt uns zusammen. Die Solidaritätsbekundungen, die ich erhalte, sind ein Beweis dafür.

Und in Düsseldorf?

Muller Die deutsch-französische Freundschaft lebt. Gerade erst haben wir das Frankreich-Fest in der Landeshauptstadt gefeiert. Die europäische Identität wird oft in politischen Diskussionen vermisst, aber heute kann jeder spüren wie Deutschland und Frankreich füreinander zusammenstehen.

Gehen Sie am Freitagabend auf die Kirmes?

Muller Ja, ich werde bei der Eröffnung der Kirmes anwesend sein. Wir werden ein Zeichen setzen für unseren Schulterschluss in dieser schwierigen Zeit.

(brö)
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