US-Model Tyra Banks stößt Debatte an #stopasking — "Hört auf, uns nach Kindern zu fragen"

Düsseldorf · US-Topmodel Tyra Banks hat eine Diskussion darüber losgetreten, ob man Frauen fragen darf, wie es mit der Familienplanung aussieht. Das Echo im Internet ist eindeutig: nein. Denn oftmals sind Frauen nicht freiwillig kinderlos.

Tyra Banks und ihre Kollegin Chrissy Teigen sprechen über ihren unerfüllten Kinderwunsch. Banks kämpft mit ihren Emotionen.

Tyra Banks und ihre Kollegin Chrissy Teigen sprechen über ihren unerfüllten Kinderwunsch. Banks kämpft mit ihren Emotionen.

Foto: Screenshot FabLife

Tyra Banks ist ein Medienprofi. Jemand wie sie verliert eigentlich nicht so schnell die Fassung — vor allem nicht vor laufenden Kameras. Doch das Thema Kinder hat das Topmodel nun so sehr aus dem Konzept gebracht, dass sie im Fernsehen in Tränen ausgebrochen ist. In ihrer Show "FabLife" brechen bei der 41-Jährigen plötzlich alle Dämme. "Ich habe es so satt, gefragt zu werden, wann ich Kinder haben werde. Ihr wisst doch gar nicht, was ich durchmache. Ihr habt keine Ahnung." Ihre Stimme bricht. Ja, sie wolle Kinder haben, aber das sei nicht so leicht.

Damit trifft Tyra Banks den Nerv vieler Frauen. Das Video der "FabLife"-Folge wurde auf Youtube bereits mehr als 750.000-mal geklickt. Darin spricht Banks auch mit Model Chrissy Teigen (29) über das Thema. Kein Interview ohne die Frage danach, wann sie welche haben werde, sagt Teigen. Doch beide haben Probleme, schwanger zu werden. "Eines Tages werdet ihr das falsche Mädchen fragen, das wirklich damit zu kämpfen hat, und es wird sie sehr verletzen. Ich hasse es. Hört auf, mich zu fragen", sagt Teigen.

Im Internet wird das Thema unter #stopasking heftig diskutiert. Denn nicht nur Promis müssen sich dieser Frage stellen. Das ständige Nachhaken kennt jede Frau dieses Alters. Und sie haben die Schnauze gestrichen voll. Unverheiratete müssen sich dafür rechtfertigen, noch nicht vor den Traualtar getreten zu sein. Verheiratete müssen ständig erklären, warum das erste Kind noch nicht unterwegs ist. Und hat man doch schon ein Kind, lautet die Frage: Wann kommt das nächste? "Eine Frau, die dreimal geschieden wurde, ist heute normaler als eine, die noch nie verheiratet war", beklagt Tyra Banks.

Auf Twitter berichten Frauen von ihren Erfahrungen und beklagen, dass ihre Mitmenschen, egal ob Familienangehörige oder Fremde, damit ihre Privatsphäre verletzten. "Hört auf, mich zu fragen, wann meine Tochter eine große Schwester wird. Denn ich habe im vergangenen Jahr zwei Babys verloren", twittert Sara Morrison. "Es geht niemanden etwas an. Eine Frau sollte sich nicht dafür schämen müssen, keine Ehefrau oder Mutter zu sein", schreibt eine andere Nutzerin. Denn hinter der Kinderlosigkeit können ganz andere Probleme stecken, über die die Frauen nicht gerne sprechen. Doch anders als bei Männern treffen die Fragen Frauen härter, denn ihre medizinische Situation oder ihre berufliche und finanzielle Lage macht ihnen oft das Leben schwer.

In Deutschland etwa sinkt die Geburtenrate seit Jahren. So sind laut dem Statistischen Bundesamt etwa zwei Millionen Paare ungewollt kinderlos. Die Ursachen dafür sind meist medizinischer oder gesellschaftlicher Art. Je älter die Frauen werden, desto mehr nimmt ihre Fruchtbarkeit ab. "Die maximale Fruchtbarkeit ist bei Frauen mit 23 Jahren erreicht", sagt Jan-Steffen Krüssel, Koordinator der Kinderwunschklinik an der Uniklinik Düsseldorf.

"Viele Menschen glauben, dass es ab 40 schwierig wird, aber das wird es schon viel früher." Da die Frauen mit der ersten Schwangerschaft immer länger warteten, stiegen die Zahlen der künstlichen Befruchtungen. Doch diese müsse man sich erst einmal leisten können, sagt Krüssel. Denn seit der Gesundheitsreform im Jahr 2004 müssen die Kosten für eine solche Behandlung zur Hälfte von der Patientin getragen werden.

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Foto: dpa, Jan-Peter Kasper

Auch gesellschaftliche Gründe hindern Frauen daran, Kinder zu bekommen, obwohl sie gerne welche hätten. Das Hamburger Institut für Zukunftsfragen hat sich mit den Gründen beschäftigt. Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung: "Die Unsicherheit, ja fast schon Angst vor der Familiengründung hält bei vielen Bundesbürgern an." Diese umfasse für zunehmend mehr Deutsche neben der Angst, sich Kinder schlichtweg nicht leisten zu können, vor allem die Sorge, "Familie und Beruf nicht vereinbaren zu können und die eigene Karriere zu vernachlässigen".

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung macht als Ursache die "Mechanismen innerhalb der Arbeitswelt" verantwortlich. So bekommen heute vor allem Berufsanfänger befristete Verträge, für Frauen ist der Wiedereinstieg in den Job nach der Elternzeit noch immer problematisch, unzureichende Betreuungsangebote erschweren die Entscheidung fürs Kind. "Eine Allensbach-Studie hat ergeben, dass 50 Prozent der kinderlosen Frauen wegen beruflicher oder finanzieller Gründe mit dem Kind warten", sagt Krüssel von der Kinderwunschklinik.

Tyra Banks hat mit #stopasking aber noch ganz anderen Menschen aus der Seele gesprochen. Denn nicht nur Kinderlosigkeit ist Privatsache, finden viele: "Hört auf, mich zu fragen, was ich nach dem College machen will — ich weiß es nicht", twittert ein junger Student. "Hört auf, mich zu fragen, wie ich mir meine Zukunft vorstelle, denn im Moment bekomme ich nicht mal einen gut bezahlten Job, mit dem ich mein Collegedarlehen zurückbezahlen kann", ein anderer. Manche finden, man müsse darüber sprechen, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Und obwohl es #stopasking heißt, reden nun alle darüber.

(RP)
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