Atomkraftwerk in der Ukraine Tschernobyl-Kraftwerk bekommt gigantische Stahlhülle

Prypjat · Der schützende Stahlbogen für die Atomruine Tschernobyl gilt als Meisterwerk der Ingenieurskunst. Noch nie wurde ein Bauwerk von mehr als 36.000 Tonnen Stahl über 330 Meter Entfernung bewegt.

Die riesige Metallhülle spart unten die Umrisse des Reaktorgebäudes aus, über dass sie in den nächsten Tagen gefahren wird.

Die riesige Metallhülle spart unten die Umrisse des Reaktorgebäudes aus, über dass sie in den nächsten Tagen gefahren wird.

Foto: afp

Der neue "Sarkophag" in der Ukraine soll 100 Jahre vor Strahlung schützen. An der Ruine des 1986 explodierten Atomkraftwerks Tschernobyl in der Ukraine haben Arbeiter mit dem spektakulären Transport der neuen Hülle begonnen. Auf Spezialschienen werde die Tausende Tonnen schwere Konstruktion zu dem etwa 330 Meter entfernten Reaktor geschoben, teilte die Staatsagentur zur Verwaltung der Evakuierungszone am Montag mit.

Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa zehn Metern pro Stunde und mit Pausen wird das größte bewegliche Bauwerk der Welt über den explodierten Block 4 gedrückt: ein Stahlbogen von 110 Metern Höhe, 165 Metern Länge und 257 Metern Breite. Die Hülle ergänzt einen Betonsarkophag, der von der Sowjetunion nach der fatalen Kernschmelze am 26. April 1986 eilig errichtet worden war und brüchig ist.

Der ukrainische Umweltminister Ostap Semerak sprach von einem historischen Schritt. "Das ist der Anfang vom Ende des 30-jährigen Kampfes gegen die Folgen der Katastrophe von Tschernobyl", sagte er. Der Abschluss der Arbeiten ist für den 29. November geplant, einen Tag vor dem 30. Jahrestag der Übergabe des ursprünglichen "Sargs". Nach Vorarbeiten 2008 war 2012 mit dem Bau der Hülle begonnen worden.

Ein internationales Konsortium hatte den Mantel mit einer Grundfläche von etwa sechs Fußballfeldern in den vergangenen Jahren nahe der sogenannten Todeszone montiert. Mit dem Stahlbogen werde die Sicherheit um das abgeschaltete AKW "auf ein neues Niveau gebracht", sagte Semerak.

Der riesige Mantel in Bogenform, unter dem die Pariser Kathedrale Notre Dame Platz hätte, soll für die nächsten 100 Jahre einen Austritt von Strahlen aus dem havarierten Meiler verhindern sowie vor Umwelteinflüssen wie Nässe schützen. Zudem ist die Konstruktion innen mit Greifarmen ausgestattet. Sie sollen Arbeiten an dem alten Reaktor ermöglichen. In der Anlage befinden sich Experten zufolge noch 200 Tonnen Uran. Den Organisatoren zufolge hält die neue Hülle einem Erdbeben der Stärke sechs und einem Tornado der Stufe drei stand.

Über 40 Geberländer ermöglichten das etwa zwei Milliarden Euro teure Mammutprojekt. Allein hätte die finanziell klamme Ex-Sowjetrepublik Ukraine den Bau nicht stemmen können. Auch nach der Inbetriebnahme der Hülle 2017 wird der zweitgrößte Flächenstaat Europas für den Unterhalt wohl nicht ohne internationale Hilfe auskommen.

"Für uns ist dieser Bogen nicht einfach nur 36.000 Tonnen Metallkonstruktion", sagte Tschernobyl-Kraftwerksdirektor Igor Gramotkin. "Das sind 36.000 Tonnen unseres Glaubens an den Erfolg, an diesen Ort, unsere Menschen in der Ukraine", meinte er.

Tschernobyl - Eindrücke aus der Sperrzone
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30 Jahre Tschernobyl - Eindrücke aus der Sperrzone

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Foto: dpa, pil

Am 26. April 1986 um 1.23 Uhr Ortszeit war ein Test in Tschernobyl außer Kontrolle geraten, Reaktor 4 explodierte. Der GAU, der größte anzunehmende Unfall, trat ein. Die Detonation wirbelte tagelang radioaktive Teilchen in die Luft, von der damaligen Sowjetrepublik breitete sich die abgeschwächte Wolke über Westeuropa aus. Zehntausende mussten die Region verlassen. Noch Jahre später starben viele Menschen an den gesundheitlichen Folgen wie etwa Krebs.
In Deutschland hatte die Bundesregierung nach der Kernschmelze im japanischen AKW Fukushima 2011 den Atomausstieg beschlossen.

(bur/dpa)
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