In Südkorea Schein-Begräbnisse werden zum Enstpannungs-Trend

Seoul · In Südkorea gibt es einen neuen verrückten Trend: Zur Enstpannung und Besinnung legen sich Menschen in Särge und vollziehen ein Schein-Begräbnis. So wollen sie dem Leben wieder näher kommen.

 Entspannung pur beim Schein-Begräbnis.

Entspannung pur beim Schein-Begräbnis.

Foto: ap

In weißen Gewändern sitzen die Todeskandidaten über ihrem Testament. Der Raum ist düster, neben den Tischen warten bereits die Särge, in die sie sich legen, sobald ihr letzter Wille geschrieben ist. Ein Mann mit einem traditionellem koreanischen Hut und in schwarzer Robe schließt den Deckel über ihnen - und es ist vorbei. Zumindest für zehn Minuten. Denn dann können sie wieder heraus, blinzelnd, bleich und erfüllt mit einer gewissen Ehrfurcht.

Sarg wird gleich für später ausgesucht

Solche Schein-Begräbnisse haben sich in Südkorea zum echten Trend entwickelt. Gestresste Südkoreaner sollen so die Freude am Leben wieder erlangen und zumindest für zehn Minuten ohne Einflüsse von außen in sich gehen. Das Bestattungsunternehmen Hyowon bietet die Kurse unter dem Titel "Todeserfahrung" gratis an. Ziel ist, dass sich die Kunden gleich einen Sarg aussuchen - für später.

"Ich habe etwas sehr Eigenartiges gespürt, als ich in den Sarg hineingestiegen bin", sagt der 43-jährige Kwon Dae Jung. "Ich dachte, ich würde wiedergeboren und sterben." Er habe sich geschworen, sein Leben in Zukunft mehr zu genießen und seiner Frau und Kindern mehr Beachtung zu schenken.

Selbstmordrate hoch

Der Trend trifft vor allem in Südkorea einen Nerv, weil viele Einwohner von der harten Wettbewerbsgesellschaft in ihrem Land zunehmend frustriert sind. In Selbstmord- und Unzufriedenheitsstatistiken belegt Südkorea immer einen der obersten Plätze weltweit. Viele Teilnehmer sagen, sie wollen einfach nur eine kurze Entspannung von ihrem stressigen Alltag.

Dem 67-Jährigen Wang Yong Yo bricht die Stimme, als er von der Todeserfahrung im Sarg spricht. Er habe sich an die schlimmsten Zeiten seines Lebens erinnert. Jetzt aber habe er den Mut und den Willen gewonnen, "mit neuer Hoffnung wieder zu leben".

Hyowon begann bereits 2012 mit den falschen Begräbnissen, um für sich zu werben. Seither kamen 15 000 Menschen, vom Schüler bis zum Rentner, zu den Kursen. Und die Verkaufszahlen für Bestattungen gingen nach Angaben des Unternehmens um 30 Prozent nach oben.

Das Geschäft mit dem Tod hat aber auch seine Schattenseiten.
Marktführer Hyowon sieht sich mit der Klage eines Wettbewerbers konfrontiert. Dieser verlangt umgerechnet bis zu 39 Euro und wirft Hyowon vor, seine Idee gestohlen zu haben.

Vortrag über den Tod

An diesem Dienstag kommen 16 Teilnehmer zum Gratis-Kurs. Bevor sie in die Särge steigen, bekommen sie noch einen Vortrag über den Tod zu hören, sehen das Abschiedsvideo einer krebskranken Frau an ihre Familie und werden durch das Verfassen ihrer Testamente an das eigene Vermächtnis erinnert.

Auch Kwon Dae Jung wird von Gefühlen überwältigt. "Ich bin so traurig", sagt er. "Es tut mir so leid, dass ich an meinem dritten Hochzeitstag nichts unternommen habe und eine Feier im Kindergarten meiner Tochter verpasst habe."

(lkö/ap)
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