Mindestens 20 Tote in Aleppo SOS-Kinderdörfer stoppen Hilfe und holen Mitarbeiter zurück

Aleppo · Wegen der zunehmenden Gewalt in Aleppo haben die SOS-Kinderdörfer ihre Nothilfe vorübergehend gestoppt. Die Arbeit der Hilfskräfte soll jedoch schnellstmöglich fortgesetzt werden.

Die Bürger von Aleppo leiden unter mangelhafter Versorgung und katastrophalen hygienischen Zuständen.

Die Bürger von Aleppo leiden unter mangelhafter Versorgung und katastrophalen hygienischen Zuständen.

Foto: afp

15 Mitarbeiter und ihre Familien seien nach Damaskus in Sicherheit gebracht worden, teilte die Hilfsorganisation am Mittwoch mit. Bisher habe sie mehr als 25.000 Kinder und Erwachsene mit Nahrung und Kleidung in der umkämpften syrischen Stadt versorgt.

"Die Entscheidung, unsere Hilfsprogramme zu stoppen, ist uns extrem schwergefallen", sagt Alia Al-Dalli, Direktorin der SOS-Kinderdörfer im Nahen Osten: "Immerhin können wir die Menschen in der Stadt weiterhin mit frischem Wasser versorgen."

Ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation, der trotz der gefährlichen Umstände in Aleppo geblieben ist, berichtete, dass die Sicherheitslage "extrem schlecht" sei: "Viele Hilfsorganisationen haben bereits ihre Mitarbeiter evakuiert. Aber ich habe eine alte und kranke Mutter, ich hatte Angst sie nach Damaskus zu bringen."

Al-Dalli betonte aber, die SOS-Teams wollten schnellstmöglich die Arbeit in Aleppo fortsetzen: "Wir werden bald zurückkehren und die notleidenden Kinder und Ihre Familien schützen."

Aleppo ist seit 2012 in die von Rebellen gehaltenen Viertel im Osten und die von syrischen Regierungstruppen kontrollierten Stadtteile aufgesplittet. Die Armee von Präsident Baschar al-Assad belagert die Rebellenviertel, dort sind nach UN-Schätzung etwa 275.000 Menschen eingeschlossen. Russland unterstützt Assad im Kampf um die Macht seit mehr als einem Jahr mit Luftangriffen.

Seit der Wiederaufnahme der Luftangriffe auf den von Rebellen kontrollierten Ostteil der syrischen Stadt Aleppo sind verschiedenen Berichten zufolge mindestens 20 Menschen getötet worden. Am Mittwoch seien Geschosse in der Nähe eines Kinderkrankenhauses und einer Schule eingeschlagen, teilten Kriegsbeobachter und Rettungskräfte mit.

Die Luftangriffe sind Teil einer größeren Offensive, die die syrische Armee zusammen russischen Truppen am Vortag begonnen hat. Seit Dienstag werden Stellungen von Extremisten und Rebellen mit Kampfflugzeugen, Marschflugkörpern und Artillerie angegriffen. Russland setzt dafür auch erstmals seinen einzigen Flugzeugträger ein.

Die Luftangriffe auf Aleppo werden nach Berichten des staatlichen syrischen Fernsehens von der Luftwaffe des Landes ausgeführt. Russische Kampfflugzeuge beteiligen sich seit vier Wochen nicht mehr daran. Dieses Moratorium gilt auch weiterhin, teilte das Präsidialamt in Moskau mit. Der staatliche syrische Fernsehsender Ichabarijah meldete große Truppenansammlungen an mehreren Stellen der Aleppo-Front.

Dies seien Vorbereitungen für eine große Bodenoffensive, die jederzeit beginnen könne. Rund 50 Kilometer nordöstlich von Aleppo stehen die von der Türkei militärisch unterstützten Rebellen dicht vor der Stadt Al-Bab und dürften diese nach den Worten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schon sehr bald einnehmen. Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) leiste noch Widerstand, aber vermutlich nicht mehr lange, sagte Erdogan am Mittwoch. Am Dienstag hatten die Rebellen die strategisch wichtige Stadt Kabassin vom IS erobert und damit die letzte größere Bastion vor Al-Bab eingenommen.

Al-Bab wollen sowohl die arabisch-turkmenischen Milizen, die von der Türkei unterstützt werden, wir auch die kurdische Miliz in Syrien unter ihre Kontrolle bringen. Die Türkei hat im August mit einer Offensive in Syrien begonnen, um einerseits die IS-Kämpfer, vor allem aber die syrische Kurdenmiliz YPG von ihrer Grenze zu vertreiben.

Unterdessen kündigte die YPG an, sich auf die Gebiete östlich des Euphrats zurückzuziehen und dabei auch die von ihnen eroberte Stadt Manbidsch aufzugeben. Sie wolle ihre Kräfte für den Angriff auf die IS-Hochburg Rakka konzentrieren, sagte sie zur Begründung. Die Türkei hatte den Abzug der YPG aus Manbidsch gefordert und sieht auch deren Engagement bei der Befreiung Rakkas kritisch. Sie befürchtet, dass ein Erstarken der Kurden in Syrien dem Unabhängigkeitskampf der Kurden im eigenen Land neuen Schwung verleihen würde.

(mro/hebu/KNA/reu)
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