Polizistenmorde in Dallas In den USA wächst die Sorge vor weiterer Gewalt

Dallas · Nach den tödlichen Schüssen auf fünf Polizisten in Dallas wird immer klarer, dass es sich offenbar um einen Einzeltäter handelt, der in seiner Wohnung massenhaft Waffen und Bombenmaterial hortete. Dennoch wächst in den USA die Sorge vor neuer Gewalt. Politiker und Bürgerrechtler rufen zur Besonnenheit auf.

 Demonstranten in Detroit bringen ihre Wut über die Schüsse in Dallas zum Ausdruck.

Demonstranten in Detroit bringen ihre Wut über die Schüsse in Dallas zum Ausdruck.

Foto: ap

Nach den tödlichen Schüssen in Dallas konzentrieren sich die Ermittler auf die Frage, ob der Schütze Micah J. Komplizen hatte. "Wenn es sie gibt, werden wir sie finden, und sie werden Gerechtigkeit erfahren", sagte der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, in der Nacht zum Samstag vor Medien.

Die Polizisten wurden vermutlich aus Hass auf Weiße getötet. Sie starben während eines Protestmarsches gegen Polizeigewalt. Mindestens sieben Polizisten und zwei Zivilisten wurden verletzt.

Die Polizei hatte zunächst von mehreren Tätern gesprochen. Unklar blieb, was es mit drei Festgenommenen auf sich hat, von denen die Polizei in der Nacht gesprochen hatte.

Als Reaktion auf den tödlichsten Tag für die Polizei in den USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verkürzt Präsident Barack Obama seine Europareise um einen Tag.

Das Weiße Haus teilte mit, Obama werde zwar wie geplant am Samstag vom Nato-Gipfel in Warschau nach Madrid weiterreisen, seinen Aufenthalt in Spanien aber verkürzen und schon am Sonntag zurück in die USA fliegen, um dann zu Wochenbeginn nach Dallas zu reisen. Das Thema ethnischer Spannungen und einer neuen Gemeinsamkeit von Polizei und Kommunen in den USA werde außerdem Obamas gesamte Woche bestimmen.

Nach einem mehrstündigen Feuergefecht und erfolglosen Verhandlungen war der Angreifer in Dallas mit Hilfe eines Roboters getötet worden, an dem ein Sprengsatz angebracht war. Der Mann habe zuvor gesagt, er habe alleine gehandelt und sei kein Mitglied einer Gruppe, sagte Dallas' Polizeichef David Brown weiter. Bürgermeister Mike Rawlings bestätigte am Abend den Einsatz von C4-Sprengstoff.

Die Polizei gab den Namen des getöteten Schützen mit Micah J. (25) an. Sie fand nach eigenen Angaben in seiner Wohnung jede Menge Waffen und paramilitärisches Material, auch zum Bombenbau, sowie Schutzwesten, Munition, Gewehre und ein Handbuch für den bewaffneten Kampf.

Außerdem seien afro-nationalistische Schriften aufgetaucht. Das könnte ein mögliches Motiv belegen. J. ist Afroamerikaner. Zur Hautfarbe der Opfer machte die Polizei weiter keine Angaben.

Micah J. sei Armee-Veteran und als Einzelgänger beschrieben worden. Während seiner Armeezeit war er offenbar wegen sexueller Belästigung angezeigt worden. J. sei danach im Mai 2014 von seinem Einsatzort Afghanistan in die USA zurückgeschickt worden mit der Empfehlung, ihn nicht ehrenvoll zu entlassen, sagte sein damaliger Militäranwalt Bradford Glendening. Es sei festgelegt worden, ihn wegen des Vorfalls im September 2014 zu entlassen.

Glendening sagte, ein solches Vorgehen sei äußerst ungewöhnlich. Normalerweise werde vor weitreichenden Schritten eine allgemeine Beratung angeordnet. J. sei schließlich erst im April 2015 aus der Armee ausgeschieden, und zwar ehrenvoll. Die Gründe dafür kenne er nicht, sagte der Anwalt.

Anlass für die Demonstration am Donnerstagabend war der Tod von zwei Afroamerikanern, die in den Bundesstaaten Minnesota und Louisiana binnen zweier Tage durch Polizeischüsse ums Leben gekommen waren. Auch in New York und anderen US-Städten hatte es friedliche Demonstrationen gegen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner gegeben.

Aus mehreren US-Städten werden verstärkte Sicherheitsmaßnahmen berichtet, so zum Beispiel aus New York. Landesweit wächst die Sorge, dass die Gewalt eskalieren könnte. Es gab von vielen Seiten Aufrufe zur Mäßigung und zum Zusammenrücken, sehr vernehmlich auch vonseiten schwarzer Bürgerrechtler. Ihr Tenor: Die Gewalt gegen Schwarze müsse beendet werden, aber die Lösung könne keinesfalls schwarze Gewalt gegen Polizisten sein.

Es ist zu erwarten, dass die Vorfälle dieser Woche eine große Rolle im US-Wahlkampf spielen werden. Die beiden voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Hillary Clinton versuchten, sich in ausführlichen Stellungnahmen die Themen Ungleichheit, Armut und Gewalt zu eigen zu machen.

Trump, dem immer wieder rassistische Bemerkungen vorgeworfen werden, sagte, der Riss zwischen Schwarz und Weiß habe sich verschlimmert, jetzt sei die Zeit für Liebe, Gebete und Einigkeit. Clinton sagte, das Land müsse dringend wieder zusammenfinden. Dallas sei eine Tragödie, auch müsse die alltägliche Gewalt gegen Schwarze ein Ende haben.

(jco/dpa)
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