Kondomverbot gelockert Papst überrascht mit kleiner Revolution

Rom (RPO). Papst Benedikt XVI. vollzieht eine überraschende Wende im Kampf gegen Aids. Zum ersten Mal bezeichnet er als Oberhaupt der katholischen Kirche das Verwenden von Kondomen als gerechtfertigt – wenn auch nur in Einzelfällen. Der Papst äußerte sich in einem Buch des deutschen Autors Peter Seewald, das kommende Woche erscheint. Der Vatikan reagiert offenbar überrascht auf die Aussagen.

 Begegnung mit Joseph Kardinal Ratzinger: Peter Seewald stellt im Jahr 2000 das Buch "Gott und die Welt" vor, das er mit dem späteren Papst verfasst hat. Für sein neues Buch durfte Seewald den Papst viele Stunden lang befragen.

Begegnung mit Joseph Kardinal Ratzinger: Peter Seewald stellt im Jahr 2000 das Buch "Gott und die Welt" vor, das er mit dem späteren Papst verfasst hat. Für sein neues Buch durfte Seewald den Papst viele Stunden lang befragen.

Foto: ddp

Rom (RPO). Papst Benedikt XVI. vollzieht eine überraschende Wende im Kampf gegen Aids. Zum ersten Mal bezeichnet er als Oberhaupt der katholischen Kirche das Verwenden von Kondomen als gerechtfertigt — wenn auch nur in Einzelfällen. Der Papst äußerte sich in einem Buch des deutschen Autors Peter Seewald, das kommende Woche erscheint. Der Vatikan reagiert offenbar überrascht auf die Aussagen.

Die katholische Kirche sehe Kondome nicht als wirkliche und moralische Lösung an, heißt es in dem neuen Buch "Licht der Welt". "Im einen oder anderen Fall kann es in der Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, jedoch ein erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität", wurde Benedikt in der Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano" zitiert.

Bei den Äußerungen scheint es sich um einen grundlegenden Meinungswechsel im Vatikan zu handeln. Zwar haben führende katholische Geistliche bereits von der Nutzung von Kondomen zur Verhinderung von HIV und Aids gesprochen. Jedoch hat sich noch nie ein Papst derart öffentlich geäußert.

Sexualität als Art von Droge

Benedikt erklärte dem Manuskript zufolge, die bloße Fixierung auf das Kondom bedeute eine Banalisierung der Sexualität. "Und die ist ja gerade die gefährliche Quelle dafür, dass so viele Menschen in der Sexualität nicht mehr den Ausdruck ihrer Liebe finden, sondern nur noch eine Art von Droge, die sie sich selbst verabreichen."

Als Beispiel für die Verwendung von Kondomen nannte der Papst Prostituierte. In diesen Fällen könne es ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein - "ein erstes Stück Verantwortung, um wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will".

Der Papst scheint auch die offiziellen Stellen im Vatikan mit seinen Aussagen überrascht zu haben. Eine Stellungnahme des Vatikans zu den Äußerungen des Papsts liegt noch nicht vor. Papst Benedikt XVI. galt bisher als besonders konservativer Bewahrer der katholischen Grundüberzeugungen.

UNO begrüßt Aussagen des Papstes

Das UN-Programm gegen Aids (UNAIDS) hat die Aussagen von Papst Benedikt XVI. zum Gebrauch von Kondomen gewürdigt. Dass das Oberhaupt der katholischen Kirche die Nutzung von Präservativen in Einzelfällen für erlaubt erklärt habe, sei ein "entscheidender und positiver Schritt nach vorn", erklärte UNAIDS-Chef Michel Sidibe am Sonntag in Genf. "Dieser Schritt erkennt an, dass ein verantwortungsvolles Sexualverhalten und der Gebrauch von Kondomen eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung von HIV spielen", hieß es in der Erklärung.

Er habe im Jahr 2009 weitreichende Diskussionen mit dem Vatikan zur Vorbeugung von HIV und Aids geführt, erklärte Sidibe. "Gemeinsam können wir eine Welt ohne neue HIV-Infektionen und ohne Diskriminierung schaffen", hieß es.

Papst spricht auch zum Thema Rücktritt

In einer anderen Stelle des Buches, in dem es um den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche geht, äußerte sich Benedikt zu einem Rücktritt eines Papstes. "Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht, zurückzutreten."

Auf die Frage, ob er im Zusammenhang mit dem Skandal an einen Rücktritt gedacht habe, sagte der Papst: "Wenn die Gefahr groß ist, darf man nicht davonlaufen." Man müsse in so einem Augenblick standhalten und die schwere Situation bestehen.

Das Buch "Licht der Welt: Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit" soll offiziell in der kommenden Woche veröffentlicht werden. Dabei handelt es sich um Interviews, die der deutsche Journalist Peter Seewald mit dem Kirchenoberhaupt innerhalb eines Monats in der päpstlichen Sommerresidenz führte.

(RTR/csi)
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