Papst besucht Ägypten 27 Stunden Frieden in Kairo

Kairo · Franziskus besucht Ägypten in einer kritischen Zeit. In den vergangenen Monaten sind viele Christen bei Anschlägen getötet worden. In der Al-Azhar-Universität macht sich der Papst für eine Versöhnung zwischen den Religonen stark.

 Papst Franziskus (r.)und Imam Ahmad Mohammad al-Tayyeb.

Papst Franziskus (r.)und Imam Ahmad Mohammad al-Tayyeb.

Foto: dpa, vge

Er kam in seiner gewohnten Demut. Bedächtig stieg Papst Franziskus am Freitagmittag die Gangway seines Flugzeugs in Kairo herunter, sah sich zunächst um, wer unten auf ihn wartete und begrüßte dann nacheinander alle, selbst die Sicherheitsleute, mit Handschlag.

Fast 20 Jahre liegt der Besuch seines Vorvorgängers Johannes Paul zurück, der als erstes katholisches Oberhaupt der Neuzeit Ägypten besuchte, am Flughafen niederkniete und die Erde küsste — eine Geste, die ihm eigen war und die er in jedem Land vollzog, in dem er zu Gast weilte.

Franziskus ist mehr auf die Menschen fixiert. Seine 27 Stunden in Kairo sollen unter dem Motto "Papst des Friedens in Ägypten des Friedens" stehen — die Versöhnung zwischen Muslimen und Christen. Deshalb stand auch gleich zu Beginn seines Aufenthalts am Nil der Besuch der altehrwürdigen islamischen Al-Azhar-Universität an, oberste Instanz vieler sunnitischer Muslime.

"Ich finde es gut, dass er kommt", sagt Amr im Kairoer Stadtviertel Abbassia, der sich vor die Kapelle Sankt Peter und Paul gestellt hat, vor der im Dezember kurz vor Weihnachten 29 Gläubige von einer Bombe getötet wurden. Von den Spuren des Anschlags ist nichts mehr zu sehen. Die Kapelle wurde in Windeseile wieder hergestellt. Dahinter erhebt sich die riesige Markus-Kathedrale, das wohl mächtigste christliche Gotteshaus Ägyptens.

"Ich bin zwar Moslem", ergänzt Amr seinen Kommentar zum Papstbesuch, "habe aber viele christliche Freunde". In Ägypten hätten Muslime und Christen immer friedlich zusammengelebt, behauptet der Wirtschaftsstudent der Kairo Universität und kann es nicht fassen, dass die Kluft zwischen den beiden Konfessionen auch in seinem Land immer tiefer und feindlicher wird. Viele seiner Kommilitonen seien ähnlich frustriert über die neuerlichen Entwicklungen.

Amr steht nicht lange vor der Kapelle. Die vielen Sicherheitskräfte drängen ihn zu gehen. Zusammen mit dem koptischen Papst Tawadros will Kollege Franziskus hier für die bedrohten Christen beten. Es wird weiträumig abgesperrt. Amr beeindruckt, dass der katholische Pontifex nicht in seinem Papamobil, einem mit kugelsicheren Scheiben ausgestattetes Gefährt durch Kairo fahren wird, sondern mit möglichst vielen Leuten in Kontakt kommen will.

Wie er das bei der höchsten Sicherheitsstufe, die während seines Besuchs in Ägyptens Hauptstadt herrscht, bewerkstelligen will, ist allerdings fraglich. Aus Sicherheitsgründen wurde die Messe unter freiem Himmel, die ursprünglich in einem Stadium in der Innenstadt geplant war, auf das Gelände eines Militärflughafens außerhalb Kairos verlegt.

Die Kopten verstehen sich als von Rom unabhängige, eigenständige Kirche, was sie immer wieder betonen. Während sie nach offiziellen Angaben zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung von mittlerweile fast 92 Millionen ausmachen, gibt es im Nilland lediglich etwa 270.000 Katholiken. Erst seit Johannes Paul im Heiligen Jahr 2000 in Ägypten war, gibt es eine vorsichtige Annäherung der beiden Konfessionen. Jetzt, in der Stunde der Bedrohung, scheinen die beiden Kirchen näher zusammenzurücken.

Erst vor zwei Wochen gab es erneut Anschläge auf die Minderheit im Norden Ägyptens: Im Nildelta, in der Stadt Tanta, explodierte am Palmsonntag eine Bombe, die unter der Bank im Kirchenraum platziert war. Kurz darauf sprengte sich ein Selbstmordattentäter vor einer Kirche in der Mittelmeermetropole Alexandria in die Luft. Insgesamt starben mehr als 40 Gläubige an einem einzigen Tag.

Franziskus kommt also zu einer kritischen Zeit. Noch nie waren Existenz und Überleben der christlichen Minderheiten im Orient so gefährdet wie heute. Islamistische Extremisten treiben einen tiefen Keil in die jahrtausende alte Koexistenz zwischen den Religionen. Ob das Zeichen der Nähe von Franziskus den resignierten Christen in Ägypten Kraft zum Weitermachen gibt, muss sich erst noch erweisen.

Henri Boulad ist da skeptisch. Der im ägyptischen Alexandria geborene Pater ist Jesuit, so wie Papst Franziskus. Er ist dem Argentinier tief verbunden und trägt seine Mission, einen Ausgleich zwischen Christen und Muslimen zu schaffen, voll und ganz mit.

Im Innenhof des Konvents der Jesuitengemeinde in Ägyptens zweitgrößter Stadt versammeln sich Abend für Abend junge Menschen zu Kulturveranstaltungen oder einfach nur, um einen Tee zusammen zu trinken und den Pater zu treffen. Boulad ist für sie eine Ikone, eine Leitfigur in diesen unruhigen Zeiten.

Seine weißen, buschigen Augenbrauen und sein väterlicher Blick geben dem 85-Jährigen eine unverwechselbare Ausstrahlung. Denn der Ägypter mit italienischen Wurzeln und hervorragendem Französisch nimmt kein Blatt vor den Mund und nennt die Dinge beim Namen ohne Angst vor Repressalien, was derzeit in Ägypten selten ist.

"Die Repressionen gegen die Muslimbrüder sind schrecklich", sagt er. Es sei unverhältnismäßig, was ihnen seit dem Sturz Mursis im Sommer 2013 widerfahre. Gleichwohl hätte Mursi Ägypten verkauft, weil er eine Ideologisierung vorangetrieben habe, die hier niemand wollte. Als Folge sieht Boulad eine Radikalisierung hin zum Salafismus und in letzter Konsequenz zum Terror.

Er sieht aber auch eine Abkehr vieler Jugendlicher vom Islam. Der Atheismus unter Muslimen in Ägypten nehme enorm zu. "Die haben die Nase voll von der Ideologie von Daesh", wie er die Terrormiliz IS mit dem arabischen Ausdruck nennt. Die Zukunft der Christen in Ägypten sieht Boulad in zum Christentum konvertierten Muslimen, da die Urchristen mehr und mehr die Region verließen, wenn sie weiter unter Druck gerieten. Noch sei der Übertritt zum christlichen Glauben für einen Muslim eine Todsünde. Doch das werde sich mit der Zeit ändern, ist der Jesuitenpater überzeugt.

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