Mutige Frauen Palästinenserinnen befreien Jungen aus der Hand eines Soldaten

Nabi Salech · Mohammed Tamimi klebt mit den Augen am Fernsehschirm. In jeder Nachrichtensendung wird gezeigt, wie der israelische Soldat ihn festnehmen will. Doch nach den Nachrichten wechselt er sofort wieder zu den Zeichentrickfilmen. Denn auch wenn er nun kurzzeitig berühmt ist, bleibt der Elfjährige doch vor allem ein Kind.

 Die Frauen rangeln mit dem israelischen Soldaten.

Die Frauen rangeln mit dem israelischen Soldaten.

Foto: afp, AM/BLA

Seit Freitag verbreiten sich die Bilder und Filmausschnitte, auf denen zu sehen ist, wie ein israelischer Soldat mit Sturmhaube auf Mohammed kniet und seinen Kopf im Schwitzkasten hält, in den palästinensischen, arabischen und westlichen Medien und Netzwerken.

Frauen kämpften für den kleinen Jungen

Mehr noch als der brutale Umgang mit dem Jungen, der dazu noch einen Gipsarm hat, ist es die Reaktion seiner Mutter und der Nachbarinnen, die das öffentliche Interesse wecken. Die Frauen, zum Teil noch im Mädchenalter, klammern sich auf dem Rücken des Soldaten der Golani-Brigade fest, beißen ihn und lassen erst ab, als auch Mohammed gehen darf.

Am Ort des Geschehens, dem Dorf Nabi Saleh westlich von Ramallah, ereignen sich seit Jahren wöchentlich Zusammenstöße zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern. Aber nur selten wurde so deutlich, dass sich unter der seit Jahrzehnten währenden Besatzung des Westjordanlands überforderte israelische Wehrpflichtige mit dem Widerstand palästinensischer Frauen und Kinder konfrontiert sehen.

Konfrontationen hören nicht auf

Seit sechs Jahren wird in dem Dorf jeden Freitag demonstriert. Denn die in direkter Nachbarschaft von Nabi Salech errichtete israelische Siedlung Halamisch macht den Palästinensern die Nutzung von Äckern und Wasserläufen streitig. Konkreter Zankapfel ist ein Quellteich, den die Siedler mit Steinen eingefasst haben. Die Palästinenser wollen in diesem Pool freitags, an ihrem arbeitsfreien Tag, schwimmen gehen. Die Armee hindert sie daran.

Und so fliegen Woche für Woche Steine von der einen Seite, Tränengasgranaten und Gummigeschosse von der anderen. Diesmal hatten sich einige Soldaten in Tarnausrüstung ins Unterholz gelegt, um Steinewerfer dingfest zu machen. Lässig auf dem Sofa sitzend, erzählt Mohammed am nächsten Tag, wie er das Geschehen erlebte: "Ich habe bei den Konfrontationen zugeschaut, als zu meiner Überraschung plötzlich Soldaten wie aus dem Boden wuchsen. Ich bin gerannt, aber schon hat mich einer zu fassen gekriegt."

Mohammed soll Steine geworfen haben

Die Armee erklärt, Mohammed habe eindeutig zu den Steinwerfern gehört. "Bei einer gewalttätigen Demonstration in Nabi Salech wurden Soldaten aus der Menge mit Steinen beworfen. Diese wollten einen der Täter festnehmen", heißt es in einer Pressemitteilung. "Einige Demonstranten, darunter Frauen und Kinder, attackierten bei der Festnahme Soldaten. Der Kommandeur befahl den Abbruch der Festnahme, um eine weitere Gewalteskalation zu verhindern."

Mohammed versichert auf seinem Sofa nicht ganz überzeugend: "Ich hatte keine Angst. Ich habe nur so laut geschrien, damit die anderen mir helfen." Was dann auch geschah. Unter den Heraneilenden war Mohammeds Mutter Nariman: "Ich hatte nur eines im Kopf. Meinen Sohn aus den Händen dieses Soldaten zu reißen, wo er doch einen Gipsarm hat!" Der Vater, Bassem Tamimi, fügt hinzu, den Gips trage Mohammed, weil er wenige Tage vorher vor einem gepanzerten Fahrzeug der israelischen Armee weglief, stürzte und sich das linke Handgelenk brach.

Das Ereignis vom Freitag sei eine der vielen Episoden, die in die Familienchronik ihres Widerstands gegen die Besatzungsmacht eingehe, erklärt der 48-Jährige. Er selbst sei neunmal festgenommen worden. "Wir alle in dieser Familie haben unsere persönlichen Erlebnisse mit den Besatzern", sagt der Vater. Nachdenklich fügt er hinzu: "Wir sind wirklich stolz, dass wir unseren Sohn diesmal freibekommen haben. Aber gewonnen ist gar nichts."

(AFP)
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