Oxfam-Studie 62 Reiche haben so viel wie 3,6 Milliarden Andere

London/Berlin · Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Und das, obwohl es im Kampf gegen extreme Armut in der Welt durchaus Erfolge gibt. Jetzt zeigt eine neue Studie der Hilfsorganisation Oxfam, dass die soziale Ungleichheit auf der Welt weiter zunimmt.

 "Wir leben in einer Welt, deren Regeln für die Superreichen gemacht sind", meint Oxfam-Mitarbeiter Tobias Hauschild.

"Wir leben in einer Welt, deren Regeln für die Superreichen gemacht sind", meint Oxfam-Mitarbeiter Tobias Hauschild.

Foto: dpa, jbu lre fpt

Die soziale Ungleichheit nimmt weltweit dramatisch zu. Nach einer Studie der Hilfsorganisation Oxfam besitzen die 62 reichsten Menschen auf der Welt ebenso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung - das sind rund 3,5 Milliarden Menschen. Zudem verfügt mittlerweile ein Prozent der Weltbevölkerung über mehr Vermögen als der Rest der Welt zusammen.

Nach dem Bericht "An Economy for the 1 Percent" nahm das Gesamtvermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung in den vergangenen fünf Jahren um rund eine Billion US-Dollar ab - was rund 41 Prozent entspricht. Parallel dazu sei das Vermögen der reichsten 62 Personen - davon 53 Männer - um mehr als eine halbe Billion US-Dollar gewachsen.

Einer, der zu diesen 62 gehört, ist der Mexikaner Carlos Slim. Für ihn war 2015 jedoch, wie er sagt, "ein hartes Jahr". Denn im vergangenen Jahr hat der Milliardär durch einen Wertverlust seiner Aktien fast 20 Milliarden Dollar verloren - das entspricht in etwa der Größe der Volkswirtschaft von Honduras. Laut Bloomberg Milliardärs Index beläuft sich Slims Vermögen damit auf "nur noch" 52,8 Milliarden Dollar.

Christine Dusabe dagegen verdient rund 40 Euro im Monat. Sie wohnt in Ruanda - eines der ärmsten Länder der Welt - und arbeitet als Geburtshelferin in einem Gesundheitszentrum. Ihr Mann wurde infolge des Bürgerkriegs 1994 inhaftiert und hat nach seiner Freilassung ein Arbeitsverbot auferlegt bekommen. Dusabe muss allein mit etwa 500 Euro im Jahr sieben Kinder ernähren.

Es ist nur ein Beispiel, aber es zeigt: Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Und das geschieht schneller als erwartet: Vor einem Jahr prognostizierte Oxfam, 2016 werde das reichste Prozent der Weltbevölkerung, also 70 Millionen Menschen, mehr besitzen als die restlichen 99 Prozent, also sieben Milliarden Menschen. Diese Schwelle wurde aber bereits 2015 erreicht.

Oxfam führt diese Entwicklung auf eine unzureichende Besteuerung großer Vermögen und Kapitalgewinne sowie eine Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen zurück. Neun von zehn der weltweit führenden Großunternehmen haben laut Oxfam Vertretungen in mindestens einer Steueroase. Entwicklungsländern gingen so jedes Jahr mindestens 100 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen verloren.

Nach den Worten des Referenten für Entwicklungsfinanzierung bei Oxfam, Tobias Hauschild, profitieren vor allem "die Superreichen" von den Finanzregeln. Die Politik müsse demgegenüber die Anliegen der Bevölkerungsmehrheit geltend machen, fordert Hauschild.

Um dem entgegenzuwirken und ein gerechtes internationales Steuersystem zu ermöglichen, pocht Oxfam auf mehr Transparenz der Konzerne mit Blick auf ihre Gewinne und die Versteuerung in den einzelnen Ländern. Um den "ruinösen Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze" zu beenden, sollten die Staaten zudem ihre Steueranreize für Konzerne öffentlich machen.

Ferner sollten Staaten große Vermögen, Kapitalgewinne und hohe Einkommen deutlich stärker besteuern. Um die Interessen von Entwicklungsländern zu berücksichtigen, verlangt Oxfam schließlich "eine legitime zwischenstaatliche Steuerinstitution auf UN-Ebene, die alle Länder umfasst".

Und in Europa? Auch hier ist die Ungleichheit bei Vermögen, Einkommen und Chancen hoch - und in den vergangenen Jahrzehnten weiter angestiegen: Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte in Deutschland etwa 63 Prozent des Gesamtvermögens. In der Schweiz entfallen rund 85 Prozent auf die reichsten fünf Prozent.

Nach dem Jahresgutachten 2015 des Paritätischen Wohlfahrtverbandes verfügen die reichsten zehn Prozent der Deutschen über ein durchschnittliches Vermögen von rund 1,15 Millionen Euro - die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung haben dagegen im Schnitt 4.600 Euro Schulden.

(gol)
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