Nach tödlicher Polizweigewalt USA: Polizei-Todesschütze war bereits als gewalttätig aufgefallen

Im September 2013 setzte Michael S. gegen einen Schwarzen nach dessen Angaben grundlos seine Elektroschockwaffe ein. Augenzeugen bestätigten das der AP. Doch die interne Untersuchung stellte kein Fehlverhalten fest.

USA: Weißer Polizist schießt flüchtendem Schwarzen in den Rücken
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Weißer US-Polizist schießt flüchtendem Schwarzen in den Rücken

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Der wegen Mordes angeklagte Streifenpolizist von North Charleston ist bereits früher wegen exzessiver Gewalt gegen einen unbewaffneten Schwarzen aufgefallen. Das ergaben Recherchen der Nachrichtenagentur AP, in denen sich das Opfer und Augenzeugen äußerten und bei denen Einsicht in Polizeiakten genommen wurde. Gegen den 33-jährigen Michel S. wurden nach dem Zwischenfall im September 2013 interne Ermittlungen eingeleitet, die nach einigen Wochen mit dem Vermerk "entlastet" eingestellt wurden.

Wie im Fall der tödlichen Schüsse auf Walter Scott unterscheiden sich die Angaben von Opfer beziehungsweise Zeugen und Michael S. diametral. Mario Givens sagte, der Polizist habe am frühen Morgen an seine Tür geklopft und gesagt, er werde ihm einen Elektroschock verpassen, falls er nicht herauskomme. Einen Grund dafür habe der Polizist nicht genannt.

Umstrittene Szene mit Elektroschocker

Er habe das vermeiden wollen, die Arme über seinen Kopf erhoben. "Als ich das tat, hat er mir trotzdem einen Elektroschock verpasst", sagte Givens der AP. Der Stromstoß sei so stark gewesen, dass er zu Boden gegangen sei und nach seiner Mutter gerufen habe. In dem Moment sei ein zweiter Beamter gekommen. Er sei hinausgetragen und mit Handschellen gefesselt auf den Rücksitz des Streifenwagens gesetzt worden.

Givens wurde zunächst des Widerstands gegen Polizisten beschuldigt, später aber freigelassen, ohne dass Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Neben seiner Mutter beobachteten auch andere Nachbarn die Szene mit dem Elektroschocker. Auch die Exfreundin seines Bruders, die die Polizei wegen dessen ungebetenen Besuchs alarmiert hatte, beobachtete nach eigenen Angaben den Vorgang. Sie habe den Polizisten zugerufen, dass sie den falschen Mann ergriffen hätten. Diese hätten aber nicht auf sie gehört.

Givens fühlte sich durch die Zahl der Zeugen ermutigt, eine offizielle Beschwerde gegen Michael S. einzulegen. Auch einige Nachbarn, die den Vorfall beobachteten, hätten das Revier kontaktiert. Beamte dort hätten es abgelehnt, ihre Aussage aufzunehmen.

Die Version von Michael S. und seines Partners ist ganz anders. S. schrieb, er habe nicht Givens' Hände gesehen und befürchtet, der Verdächtige habe eine Waffe darin halten können. Er habe ihn mehrmals aufgefordert, herauszutreten. Nachdem Givens das nicht getan habe, sei er in das Haus eingedrungen und habe seinen Elektroschocker einsetzen müssen, weil Givens gewalttätig geworden sei.

"Es hätte verhindert werden können"

Auch im Fall Scott hatte S. erklärt, in Notwehr gehandelt zu haben. Erst das Handy-Video eines Passanten, das einen anderen Ablauf zeigt, führte Tage später dazu, dass S. des Mordes beschuldigt und aus dem Polizeidienst entlassen wurde. Die acht Schüsse des weißen Polizisten in den Rücken eines fliehenden Schwarzen haben die Debatte über übermäßige Polizeigewalt in den USA neu entflammt.

"Es hätte verhindert werden können", sagte Givens zu den Schüssen auf Scott. "Wenn sie mir nur zugehört und ermittelt hätten, was in dieser Nacht geschehen ist, könnte dieser Mann (Scott) heute noch am Leben sein."

Der Mann, der das Handy-Video drehte, sagte am Donnerstag, er fürchte inzwischen um sein Leben. Bei den Berichten über sein Video sei sein voller Name genannt worden, sagte der Augenzeuge im Fernsehsender NBC. Nun wüssten die Leute, wo er wohnt und arbeitet. Sein Anwalt Todd Rutherford sagte in derselben Sendung, die erste Frage seines Mandanten sei gewesen: "Wie kann ich Schutz bekommen?"

(ap)
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