"Sehr glänzend" New Yorker stehen Schlange vor goldenem Klo

New York · Dieses Klo ist alles andere als ein stilles Örtchen: "America" heißt die goldene und voll funktionsfähige Toilette des Künstlers Maurizio Cattelan, die jetzt im New Yorker Guggenheim-Museum installiert ist. Schon am ersten Tag gab es Schlangen und Selfies.

Die New Yorker und ihr goldenes Klo
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Foto: dpa, nic

"Sind Sie etwa auch hier, um die Toilette zu benutzen?", fragt die Frau an der Kasse des Guggenheim-Museums, schon hörbar genervt. "Da waren heute schon einige da. 5. Stock, links." Im 5. Stock windet sich bereits eine Schlange von mindestens 30 Menschen durch die berühmte Rotunda des Museums am New Yorker Central Park. Ältere Damen mit Hüten, Teenager mit Selfie-Sticks und Männer mit Aktentaschen - sie alle wollen aufs Klo. Aufs goldene Klo.

Das voll funktionsfähige Toiletten-Kunstwerk des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan aus 18-karätigem Gold, das am Freitag (Ortszeit) in New York eröffnet wurde, versteckt sich derzeit hinter einer Tür mit der Aufschrift "Unisex". "Einer nach dem anderen", mahnt der betont seriöse Museumswärter. "Es darf immer nur einer alleine das Klo benutzen. Alle Taschen müssen draußen bleiben. Und, ganz wichtig, das Klo ist immer noch ein Kunstwerk, also nicht die Brille hochheben."

Cattelan, dessen Werke auf dem Kunstmarkt häufig zweistellige Millionenbeträge erzielen, hatte sich eigentlich vor einigen Jahren aus der Branche verabschiedet. Mit dem extrem fotogenen und damit Instagram-geeigneten Gold-Klo feiert der 55-Jährige nun ein spektakuläres Comeback. "Eine Freundin hat uns davon erzählt und gesagt, wir müssen da unbedingt hin und ein Foto machen", erzählen zwei junge Frauen in der Schlange. "Das ist total aufregend!"

Eigentlich sollte der goldene Klo-Thron schon im Mai benutzbar sein, aber die Installation stellte sich als deutlich schwieriger heraus als gedacht. Ein zuverlässiger Klempner habe sich "mit einigen Schmetterlingen im Bauch" darum gekümmert, sagt Michael Zall vom Guggenheim-Museum. "Wenn er je ein ganz normaler Klempner war - jetzt ist er es nicht mehr." Wie viel das von privaten Spendern finanzierte Kunstwerk, das auf unbegrenzte Zeit fest im Museum eingebaut bleiben soll, gekostet hat, will das Guggenheim nicht verraten.

Das Klo biete eine "Erfahrung von nie da gewesener Intimität mit einem Kunstwerk", steht auf der Beschreibung neben der Toilettentür. "Cattelans Toilette verweist auf die Exzesse des Kunst-Markts, aber lässt auch an den amerikanischen Traum von unbegrenzten Möglichkeiten für alle denken." Der Titel "America" sei "so bedeutungsgeladen, dass er schwerer zu wiegen scheint, als die Toilette selbst", kommentiert die "New York Times".

"Es besteht das Risiko, dass die Menschen das als Witz sehen, aber ich sehe es nicht als Witz", sagt Künstler Cattelan. "Es ist nicht meine Aufgabe, den Menschen zu sagen, was ein Werk bedeutet. Aber ich glaube, dass die Menschen eine Bedeutung in diesem Werk sehen werden." Er sei glücklich, dass das Klo nicht auf einem Podest oder in einer Galerie sei. "Es ist in einem kleinen Raum und wartet auf dich, wenn du es brauchst. Als ich es dort vor kurzem zum ersten Mal sah, musste ich weinen. Na ja, fast."

Die Schlange kommt unterdessen voran, wird allerdings hinten immer länger. "Für was stehen die Menschen da an?", fragt ein weißhaariger Mann. "Ein goldenes Klo?" Er schüttelt den Kopf und biegt nach links in die Ausstellungsräume ab. Die beiden jungen Frauen aus der Schlange kommen dran und strecken danach die Daumen in die Höhe. "Spannend war es. Sehr glänzend." Etwa drei Minuten verbringe jeder Besucher in dem Kloraum, der auch ein - nicht goldenes - Waschbecken beinhaltet, sagt der Wärter. Immer wieder schiebt sich eine Reinigungsfrau dazwischen, wischt durch und füllt Klopapier nach.

Jedes Mal wenn sich die Tür öffnet, bildet sich eine Menschentraube um die Klotür herum auf der Suche nach Blicken und Fotos. "Ich habe einen kleinen Blick drauf werfen können", jubelt eine junge Frau. Dann dreht sie sich um und geht in einen von außen exakt gleich aussehenden Kloraum ein paar Meter weiter. Vor dem steht niemand an.

(dpa)
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