Nadia Murad Ex-IS-Gefangene bekommt europäischen Menschenrechtspreis

Straßburg · Für ihren Kampf gegen die Terrormiliz IS ist die Jesidin Nadia Murad vom Europarat mit dem Menschenrechtspreis gewürdigt worden. Die 23-jährige Irakerin war von der Terrormiliz verschleppt und als Sklavin verkauft worden.

 Nadia Murad erhält in Straßburg den Vaclav-Havel-Preis.

Nadia Murad erhält in Straßburg den Vaclav-Havel-Preis.

Foto: dpa, pse lb

Die Parlamentarische Versammlung verlieh Nadia Murad am Montag in Straßburg den Vaclav-Havel-Preis. Die junge Irakerin, die in Deutschland lebt, macht unerschrocken und unermüdlich auf das Schicksal ihrer Leidensgenossinen im Nordirak aufmerksam. Sie hatte über ein Sonderprogramm Zuflucht in Baden-Württemberg gefunden.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gratulierte ihr und sagte ihr weitere Unterstützung für ihr Engagement für die Opfer von Gewalt, Kriminalität und Terrorismus zu. Sie beweise eine "unglaubliche Kraft", indem sie die Verbrechen des IS anprangere. Er rief andere Bundesländer und Nationalstaaten auf, ebenfalls IS-Opfer bei sich aufzunehmen.

Murad wurde bei einem IS-Überfall im Sommer 2014 verschleppt und auf einem Sklavenmarkt verkauft. Dabei verlor sie ihre Mutter, ihre Brüder sowie zahlreiche weitere Angehörige und Freunde. Die extremistischen Sunniten hassen die Jesiden, die sie als "Teufelsanbeter" beschimpfen. Derzeit sind noch 3200 Frauen und Kinder in den Fängen des IS.

"Das Leben war ungerecht zu mir", sagte Murad bei der Preisverleihung in Straßburg. "Es macht mich nicht glücklich, bei Konferenzen und Treffen zu sprechen." Sie forderte ein Sondergericht für die Verbrechen an den Jesiden und prangerte an, dass bisher niemand dafür bestraft wurde.

"Es gibt noch nicht einmal Versuche, irgendwelche Beweise zu sammeln", sagte sie. "Niemand ist bereit, all das zu dokumentieren." Das Engagement der jungen Frau ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass vergewaltigte Jesidinnen in ihrer Heimat bis vor kurzem als entehrt galten. Murad hat dieses Tabu gebrochen.

Sie ist innerhalb kürzester Zeit zu einer Identifikationsfigur in ihrer Heimat geworden."Dass ich meine Geschichte erzähle und damit meine schrecklichen Erlebnisse wieder durchlebe, ist keine einfache Aufgabe. Aber die Welt muss das wissen", beschreibt die zierliche Frau ihre Motivation.

Obwohl sie Angebote hatte, ihren Wohnort ins Ausland zu verlagern, bleibt sie ihren Rettern in Baden-Württemberg treu. Sie wolle in dem Land leben, das ihr Zuflucht gewährt habe, erzählt der zuständige Experte im Stuttgarter Staatsministerium, Michael Blume.

Der Menschenrechtspreis ist mit 60.000 Euro dotiert und benannt nach dem verstorbenen Bürgerrechtler und Präsidenten der Tschechischen Republik. Die Parlamentarische Versammlung vergibt ihn seit 2013. In den vergangenen Jahren hatten Aktivisten aus Russland, Aserbaidschan und Weißrussland den Preis bekommen.

(isw/dpa)
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