Faszinierender Film New York vor 106 Jahren

Düsseldorf · Als Autos noch Kutschen überholten und alle Menschen Hüte trugen – das Museum Of Modern Art hat einen beeindruckenden Film über den Alltag in New York 1911 online gestellt. Doch von der Nostalgie sollte sich der Zuschauer besser nicht blenden lassen.

 Der jungen Dame vorne scheint die Fahrt nicht zu bekommen — oder sie langweilt sich sehr.

Der jungen Dame vorne scheint die Fahrt nicht zu bekommen — oder sie langweilt sich sehr.

Foto: Screenshot "New York 1911" / Museum of Modern Art

Als Autos noch Kutschen überholten und alle Menschen Hüte trugen — das Museum Of Modern Art hat einen beeindruckenden Film über den Alltag in New York 1911 online gestellt. Doch von der Nostalgie sollte sich der Zuschauer besser nicht blenden lassen.

Durch eine Polizeikontrolle im Jahr 2017 wäre der Wagen nicht gekommen. Sieben Personen sitzen in dem Cabrio: vorne rechts der schwarze Fahrer, daneben ein Mann, vor ihm noch ein Kind, das sich die Hand auf die Stirn hält, als wäre ihm übel, auf die Rückbank haben sich ein Jugendlicher, ein Mädchen und zwei Frauen gequetscht.

Dass diese Szene nicht in der Gegenwart spielt, lässt sich schon daran erkennen, dass der Fahrer kurze Zeit später eine Kutsche überholt. Aufgenommen wurde sie vor 106 Jahren und gehört zu einem dokumentarischen Kurzfilm, der New York im Jahr 1911 zeigt. Das Museum Of Modern Art hat den Film restauriert und online gestellt, den die schwedische Filmproduktionsfirma "Svenska Biografteatern" damals drehte.

Die knapp neun Minuten führen mit überraschend scharfen Schwarzweiß-Bildern zurück in ein New York, das ohne die Einblendung der Freiheitsstatue zu Beginn und am Ende gar nicht so einfach zu erkennen ist. Das Empire State Building wurde erst 1931 fertiggestellt, der Times Square steckte noch in seinen Anfängen. Und so ist dann wohl das Flatiron Building an der Fifth Avenue das berühmteste Bauwerk des Films, das Bügeleisengebäude.

Zu sehen ist der Alltag in New York zu einer Zeit, als die Menschen noch fast ausnahmslos Hüte trugen, in der sie sich noch die Schuhe unter Sonnenschirmen putzen ließen und dabei die Zeitung lasen, in der sich Freizeit- und Bürokleidung kaum voneinander unterschieden. Zwar war das Automobil bereits erfunden, doch hat es die Pferdekutsche noch nicht verdrängt. Im Vergleich zum heutigen New York ist das Verkehrsaufkommen geradezu lächerlich gering, Straßen-, U- und Hochbahn werden aber auch im Film bereits gezeigt.

Das Museum hat den Film mit Klaviermusik unterlegen lassen — das lässt eine Nostalgie aufkommen, der man besser nur kurz erliegen sollte. 1911 trugen sich in New York zwei große Tragödien zu. Durch ein Feuer in der Triangle Shirtwaist Factory, in der Damenblusen hergestellt wurden, starben 146 Menschen, überwiegend Mädchen aus jüdischen und italienischen Migrantenfamilien. Bei einer Hitzewelle im Juli an der Ostküste, die auch New York erfasste, starben ebenfalls 146 Menschen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir geschrieben, der Film zeige New York vor 116 Jahren. Es sind aber 106. Wir haben den Fehler korrigiert.

(seda)
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