Prozess gegen die "Mafia Capitale" In Rom steht die Hauptstadtmafia vor Gericht

Rom · Die italienische Justiz hat in Rom ein Netz von Schwerverbrechern und korrupten Stadtvätern ausgehoben. Nun steht die "Mafia Capitale", die Hauptstadtmafia, vor Gericht.

 Massimo Carminati bei seiner Festnahme im Dezember 2014.

Massimo Carminati bei seiner Festnahme im Dezember 2014.

Foto: dpa, mau pt fdt

Jahrelang lief das wie geschmiert: Lokalpolitiker und Verwaltungsbeamte hielten in Rom die Hand auf und vergaben für dicke Euro-Bündel Aufträge an dubiose Firmen. Ob Straßenbau, Parkreinigung, Müllbeseitigung, Versorgung von Altenheimen oder Unterkünfte für Flüchtlinge - überall hatte die "Mafia Capitale" ihre Finger im Spiel. Gegen anständige "tangenti" (Bestechungsgelder) kamen ihre Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen vorbei zum Zuge.

Doch dann ging es der Hauptstadtmafia an den Kragen. Im Dezember 2014 und im Juni dieses Jahres nahm die Polizei in zwei Verhaftungswellen mehrere Dutzend Männer und Frauen fest. Am Donnerstag beginnt nun der "Maxi-Prozess" gegen die "Mafia Capitale". 46 Angeklagte müssen sich vor der X. Strafkammer des Gerichts von Rom verantworten. 136 Verhandlungstage sind angesetzt. Mit einem ambitionierten Rhythmus von oft vier Verhandlungstagen pro Woche will Richterin Rosanna Ianniello das Verfahren bis Ende Juli 2016 durchziehen.

Als "capo", also Chef der kriminellen Bande, gilt der frühere neofaschistische Terrorist Massimo Carminati (57). Man nennt ihn auch "Il Nero" (Den Schwarzen) oder "Den Einäugigen" - weil er bei einer Schießerei mit der Polizei 1981 ein Auge verlor. Er selbst nannte sich schon mal "Re di Roma", König von Rom.

Am 2. Dezember 2014 wurde er verhaftet, jetzt sitzt er unter verschärften Haftbedingungen in einem Gefängnis in Parma. Dort muss er auch bleiben, denn am Prozess in Rom darf er nur per Videokonferenz teilnehmen. Das Gleiche gilt für den Unternehmer Salvatore Bruzzi (59) und den früheren Rechtsterroristen Riccardo Brugia (53).

14 weitere als gefährlich eingestufte Angeklagte sind erst vom zweiten Verhandlungstag am 9. November an dabei. Denn nach dem Auftakt im Gericht an der Piazzale Clodio in Rom verlagert sich das Prozessgeschehen an den Stadtrand in einen als "Bunker" bekannten Saal im Gefängnis von Rebibbia, wo auch schon gegen Terroristen der Roten Brigaden und die Finstermänner der Freimaurerloge P2 Gericht gehalten wurde.

Die Verteidiger haben für die Zeit vom 9. bis 12. November aber einen Streik angekündigt. Den Advokaten, die sonst auch schon mal über das Schneckentempo der italienischen Justiz schimpfen, ist der Rhythmus, den Richterin Ianniello vorgibt, zu schnell.

Für den in Oxford lehrenden italienischen Mafia-Experten Federico Varese handelt es sich um einen sehr wichtigen Prozess. "Er wird uns zeigen, wie eng Politik und Verbrechen in Rom verbandelt waren", sagt Varese der Deutschen Presse-Agentur. "Ich glaube, da wird ein System tief verwurzelter Korruption zum Vorschein kommen, in das sowohl die Rechte als auch die Linke verwickelt waren." Vor allem für die Linke, also die Demokratische Partei (PD) von Ministerpräsident Matteo Renzi, könne das unangenehm werden. Denn die rechten Parteien, die den früheren Bürgermeister Gianni Alemanno (2008-2013) unterstützten, seien ja ohnehin schon als korrupt verschrien.

Varese sieht aber Unterschiede zu den großen Mafia-Prozessen gegen die Cosa Nostra in Sizilien, denen blutige Mafia-Kriege mit Hunderten von Toten vorangegangen waren. Laut Jahresbericht der italienischen Anti-Mafia-Direktion handelt es sich bei der "Mafia Capitale" um Vereinigungen ohne Verbindung zu den alteingesessenen Clans im Süden Italiens. "Die Mafia Capitale" operiere auf zwei Ebenen, einer kriminellen und einer unternehmerischen, und sie vermeide den übermäßigen Einsatz von Gewalt.

Doch auch in Rom hat die Mafia viele Gesichter. Mitte August machte der Familienclan der Casamonica von sich reden, als er sein verstorbenes Oberhaupt Vittorio zu Grabe trug. Eine Kutsche mit sechs Pferden karrte den Sarg zur Kirche, ein Hubschrauber warf über den Trauernden rote Rosenblätter ab. Und eine Kapelle mit Tuben und Posaunen spielte ganz dreist die Titelmelodie des Films "Der Pate".

(felt/dpa)
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