Flucht im Lkw Siebenjähriger rettet mit SMS 15 Flüchtlingen das Leben

London · Mehrere Migranten sind in einem Lastwagen eingesperrt. Der Sauerstoff wird knapp. Ein kleiner Junge aus Afghanistan greift zum Handy, das ihm Helfer gegeben haben. Die Kurznachricht löst eine dramatische Suchaktion aus.

Die Kurznachricht in gebrochenem Englisch erreicht die freiwilligen Helferin Liz Clegg. Der Absender: Ein kleiner Junge aus Afghanistan namens Ahmed. Die Botschaft leuchtete plötzlich auf dem Mobiltelefon von Clegg auf, als sie gerade an einer Konferenz in New York teilnahm. "I ned halp darivar no stap car no oksijan in the car no signal iam in the cantenar. Iam no jokan valla", stand da.

Was der etwa sieben Jahre alte Junge damit sagen wollte: "Ich brauche Hilfe. Der Fahrer will den Wagen nicht anhalten. Kein Sauerstoff im Wagen. Kein Signal. Ich bin in einem Container. Ich mache keine Witze. Ich schwöre bei Gott." Mit der auf einem schnörkellosen Telefon geschriebenen Nachricht nach Übersee hat Ahmed Menschenleben gerettet. Unter anderem sein eigenes.

Ahmeds Geschichte hat eine Vorgeschichte: Im März hatten Clegg und andere Freiwillige im Flüchtlingslager im französischen Calais Hunderte einfache Mobiltelefone an Kinder verteilt, die in dem armseligen Camp lebten. Für den Fall der Fälle hatten sie eine Nummer eingespeichert. Diese, so wurde Ahmed und anderen gesagt, sollten sie in einem Krisenfall anrufen.

Clegg wusste, dass Ahmed solche Zeilen nicht schreiben würde, sollte er nicht ernsthaft in Gefahr sein. Sie rief Tanya Freedman von der Stiftung Help Refugees in London an, die die Polizei in Kent im Südosten Englands einschaltete. Die Reaktion der Beamten sei schnell und schlagkräftig gewesen, nachdem sie von einer Leben-oder-Tod-Situation gesprochen habe, sagt Freedman. "Ich hatte Ahmeds Nummer und das erste, was sie getan haben, war, einen Dolmetscher zu finden, der Paschtu konnte, um mit ihm zu sprechen.

Sie riefen ihn an und realisierten sofort, dass es ein Notfall war. Anschließend habe die Polizei die Verbindung zu dem Telefon zurückverfolgt. Sie fanden heraus, dass Ahmed und das Telefon in einem Lastwagen in Leicestershire lagen — rund 180 Kilometer nordwestlich von London.

Die Polizei in Kent schaltete nach dem Anruf von Freedman am Donnerstagnachmittag umgehend die Kollegen in Leicestershire ein, die den Truck geparkt an einer Tankstelle neben einem Highway fanden. Als sie den Wagen aufbrachen, schnappten die Migranten nach Sauerstoff.

In Freedman machte sich in diesem Moment Erleichterung breit. "Es war absolut nervenaufreibend, darauf zu warten, ob die Polizei diesen Jungen rechtzeitig finden kann, um sein Leben zu retten", berichtet sie. Die Polizei von Leicestershire teilte mit, 14 Migranten seien unter dem Verdacht der illegalen Einreise nach Großbritannien festgenommen worden. Ein Kind kam in eine Fürsorgeeinrichtung.

Trotz der Festnahmen ist Freedman erleichtert. "Ich glaube, es ist außergewöhnlich, dass ein siebenjähriger Junge wusste, dass sein Leben in Gefahr ist und dass er geistesgegenwärtig wusste, was er tun musste und die richtigen Informationen gab", sagt sie. "Er hat sich selbst und die anderen in dem Lastwagen gerettet."

(ap/jeku)
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