Terror in Indonesien Dritter Zivilist nach Anschlag in Jakarta gestorben

Jakarta · Nach dem Terroranschlag in Jakarta ist eine dritte Person seinen Verletzungen erlegen. Der Indonesier hatte Schusswunden am Kopf erlitten, als zwei der Angreifer in eine Menge gefeuert hatten, wie Polizeisprecher Muhammad Iqbal am Sonntag sagte. Der Mann sei am späten Samstagabend (Ortszeit) in einem Krankenhaus gestorben.

 Trauer in Indonesien

Trauer in Indonesien

Foto: dpa, bgs ms

Neben den drei Opfern waren bei dem Anschlag in einem beliebten Geschäftsviertel der indonesischen Hauptstadt am Donnerstag fünf Attentäter ums Leben gekommen. Die beiden weiteren Todesopfer waren ein Kanadier und ein weiterer Indonesier. Mehr als 20 Menschen wurden verletzt.

Die indonesische Polizei hat laut eigenen Angaben zwölf Verdächtige festgenommen, die Verbindungen zu dem Attentat haben sollen. Die Verdächtigen wurden demnach im Osten und Westen der Insel Java sowie auf Kalimantan festgesetzt. Es war die erste größere Attacke von Radikalen in Indonesien seit 2009.

Lange hatten muslimische Extremisten auch in Indonesien Angst und Schrecken verbreitet - trauriger Höhepunkt war die Bomben-Explosion auf der Insel Bali im Jahr 2002. Damals wurden 202 Menschen getötet.
Doch inzwischen galten die Terrornetzwerke des Landes als weitgehend zerschlagen. In dieser Woche haben sie das Gegenteil bewiesen. Die Attentäter von Jakarta stammten aus dem direkten Umfeld der einst gefürchteten Jemaah Islamiyah. Angestiftet wurden sie aber wohl von einem Indonesier, der für den IS in Syrien kämpft.

Nach bisherigen Erkenntnissen der indonesischen Polizei sieht es ganz danach aus, als hätten sich die "alten Extremisten" des Landes unter dem Banner der sunnitischen Terrormiliz IS neu formiert. Einige Anzeichen dafür hatte es zuletzt schon gegeben. Die Regierung in Jakarta musste einräumen, dass mehrere hundert Indonesier nach Syrien gereist sind, um sich dort am IS-Terror zu beteiligen. Und auch im Land selbst kam es vereinzelt zu kleineren Kundgebungen von IS-Sympathisanten.

Eigentlich ist der Anti-Terrorkampf des südostasiatischen Landes eine Erfolgsgeschichte. Doch nach Ansicht einiger Experten führte die Strategie zuletzt an aktuellen Entwicklungen vorbei. Die von den USA und Australien ausgebildeten Sondereinheiten mögen zwar in entlegenen Regionen der Insel Sulawesi die letzten Verstecke der Jemaah Islamiyah aufspüren. In der unmittelbaren Umgebung der Hauptstadt bilden sich derweil aber ganz neue Netzwerke.

Besonders einflussreich ist offenbar der radikale Islamist Bahrun Naim. Von Syrien aus hatte der Indonesier seine Anhänger in einem Blog dazu aufgefordert, die Methoden der Attentäter von Paris genau zu studieren. So verheerend wie der Terror in der französischen Hauptstadt im November war der Anschlag an diesem Donnerstag in Jakarta zwar bei weitem nicht. Aber in der Art lassen sich durchaus einige Parallelen erkennen.

Am helllichten Tag stürmten die indonesischen Angreifer im Herzen der Stadt ein beliebtes Café und eine Polizeiwache. Neben den Attentätern selbst kamen dabei drei unbeteiligte Personen ums Leben, mehr als 20 weitere wurden verletzt. IS-Anhänger bekannten sich über das Internet zu dem Anschlag. Nach Angaben der Behörden wurden die Attentäter von dem nach Syrien gereisten Naim nicht nur inspiriert, sondern auch finanziell unterstützt. In der Wohnung eines Attentäters soll später auch eine IS-Fahne gefunden worden sein.

Ob es dem IS tatsächlich gelungen ist, nun auch in Indonesien Fuß zu fassen, ist zwar unklar. Doch zwei Dinge sind am Donnerstag deutlich geworden: zum einen, dass örtliche Extremisten trotz des weitreichenden Anti-Terrorkampfes der indonesischen Regierung noch immer handlungsfähig sind; zum anderen, dass der IS zumindest den Eindruck erwecken kann, auch in Südostasien zuschlagen zu können.

Selbst wenn die Verbindungen in Wahrheit nur sehr lose sind, ist dieser Eindruck womöglich entscheidend - für den IS ebenso wie für jegliche Sympathisanten der Terrormiliz. Sie "haben ein Interesse daran, als Teil eines größeren Netzwerks betrachtet zu werden, denn das passt zu ihrer Taktik der Einschüchterung", sagt der Islam-Experte Carool Kersten vom King's College in London.

Im direkten Vergleich mit dem Anschlag von Paris, bei dem 130 Menschen getötet wurden, machten die Attentäter von Jakarta allerdings einen weit weniger professionellen Eindruck. "Es war ein recht einfach gehaltener Angriff. Sie waren nicht besonders gut bewaffnet", sagt der Sicherheitsexperte Scott Stewart von der Beratungsfirma Stratfor. Die wesentliche Wirkung der Operation sei das große Aufsehen und die damit neu erweckte Angst.

In der Betonung einer Verbindung zum IS sieht Stewart auch einen Versuch der indonesischen Extremisten, sich in der öffentlichen Wahrnehmung neu zu positionieren. Nach dem Anschlag auf der Urlaubsinsel Bali hatte sich die Gruppe Jemaah Islamiyah noch als Verbündeter der damals international gefürchteten Al-Kaida präsentiert. Der Anschlag in Jakarta wäre demnach nicht als Zeichen für ein Erstarken der örtlichen Terrorgruppen zu verstehen, sondern lediglich als Zeichen für deren Umorientierung. "Es sind im Wesentlichen dieselben Leute", sagt Stewart.

Nach Angaben der indonesischen Polizei war einer der getöteten Attentäter ein unter dem Namen Sunakim bekannter Terrorist. Dieser wurde einst mit militärischen Ausbildungscamps der Jemaah Islamiyah in der Provinz Aceh in Verbindung gebracht. Sunakim wurde deswegen zu sieben Jahren Haft verurteilt - kam dann aber vorzeitig wieder frei. Da es sich offenbar also nicht um eine komplett neue Bewegung handelt, sieht der Sicherheitsexperte Stewart für Indonesien eine zwar weiterbestehende, aber nicht sehr hochgradige Terrorgefahr.

Trotzdem dürfte der Kontakt indonesischer Extremisten zum IS in der gesamten Region für Unruhe sorgen, vor allem in Malaysia und Singapur, wo bereits Anschlagspläne aufgedeckt worden sind. Gemeinsam mit Indonesien hatten die beiden Länder daher kürzlich bereits beschlossen, in der Terrorabwehr enger zusammenzuarbeiten. Auch aus Malaysia, das wie Indonesien eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung hat, sollen Extremisten nach Syrien gereist sein, um sich dort dem IS anzuschließen. Erst am Freitag war in Kuala Lumpur ein 28-Jähriger festgenommen worden - nur wenige Stunden, bevor er sich in einer Bar in die Luft sprengen wollte, wie ein malaysischer Regierungsbeamter am Sonntag sagte.

(ap)
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