NGO-Bericht Im Nordosten Nigerias sind Tausende Kinder verhungert

Lagos · Ärzte ohne Grenzen berichtet von erschütternden Eindrücken aus Flüchtlingslagern bei Maiduguri. Kleinkinder sind dort vom Tod bedroht. Die Organisation hofft, dass die Regierung die vorgelegten Fakten endlich anerkennt.

 Nigerianische Mütter halten ihre unterernährten Kinder. Die Flucht vor der Terrormiliz sorgt für eine Hungersnot gewaltigen Ausmaßes im Land.

Nigerianische Mütter halten ihre unterernährten Kinder. Die Flucht vor der Terrormiliz sorgt für eine Hungersnot gewaltigen Ausmaßes im Land.

Foto: ap, SA

In zwei Flüchtlingslagern der Stadt Maiduguri fehle ein Viertel der eigentlich zu erwartenden Zahl von Kindern unter fünf Jahren. Sie seien vermutlicht tot, berichtete die Organisation mit Sitz in Paris am Dienstag unter Berufung auf eine neue Studie.

Die Sterblichkeitsrate für Unter-Fünfjährige liege in der Region um mehr als das Doppelte über der Schwelle für die Ausrufung eines Notstands, erklärte Natalie Roberts, die Managerin für Nothilfeprogramme für den Nordosten Nigerias. Es sei auffallend, dass es dort keine Kleinkinder gebe, sagte Roberts nach ihrer Rückkehr aus dem nigerianischen Staat Borno, in dem die radikalislamische Terrorgruppe Boko Haram ihren Ursprung hat.

"Wir haben nur ältere Brüder und Schwestern gesehen. Keine Kleinkinder auf den Hüften ihrer großen Schwester, keine Babys auf dem Rücken ihrer Mutter. Es ist, als ob sie einfach verschwunden wären", sagte Roberts.

Regierung bestätigt Berichte

Erstmals hatte Ärzte ohne Grenzen bereits im Juni auf die katastrophale Lage aufmerksam gemacht. Doch noch im September wiesen nigerianische Beamte in den Lagern Berichte über Mangelernährung von Kindern zurück. "Der Unterschied ist, dass unsere Zahlen jetzt von der Statistikbehörde überprüft wurden", erklärte Roberts. Die Regierung habe nun offiziell bestätigt, dass sie den Berichten Glauben schenke. Die Organisation hoffe, dass damit dringend benötigte Hilfe die Region erreichen könne, bevor auch ältere Kinder verhungerten.

Nach UN-Angaben drohen dort innerhalb eines Jahres schätzungsweise 75.000 Kinder zu sterben, weil Geberländer nur ein Drittel der angefragten Finanzmittel bereitgestellt haben. Doppelt so viel, eine Milliarde Dollar (930 Millionen Euro), werde für den Rest des Jahres und ins Jahr 2017 hinein gebraucht. Für Dezember ist eine Geberkonferenz in Genf geplant.

Der seit sieben Jahren andauernde Aufstand der islamistischen Terrormiliz Boko Haram in Nigeria hat rund 2,6 Millionen Menschen in die Flucht getrieben, darunter mehr als eine Million Kinder. Dadurch liegen Felder brach, Handelsrouten wurden unterbrochen, Brunnen, Brücken und ganze Ortschaften zerstört. Seit dem Ende der Regenzeit hat die Zahl der Anschläge von Islamisten wieder zugenommen.

(bur/ap)
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