Hurrikan "Matthew" Florida zittert vor schwerer Sturmflut

Raleigh · Die befürchtete Katastrophe, die den Karibikstaat Haiti heimgesucht hat, bleibt in Florida aus. Die Behörden warnen jedoch: Die Gefahr ist noch nicht gebannt.

 Nicht nur in Daytona Beach (Florida) standen die Straßen unter Wasser.

Nicht nur in Daytona Beach (Florida) standen die Straßen unter Wasser.

Foto: afp, DA

Als das Schlimmste überstanden scheint, redet Tim Tumulty fast verzweifelt gegen die Versuchung an, Matthew im Nachhinein zu belächeln. "Bleiben Sie, wo Sie sind! Auf den Straßen ist es gefährlich. Wir haben es mit heruntergerissenen Stromleitungen zu tun", warnt der Bürgermeister von Cocoa Beach, als er sich am Freitagmorgen im Radio an die Bewohner seiner Stadt wendet. Das wahre Ausmaß des Schadens lasse sich frühestens am Wochenende überblicken. Jetzt schon die Rückkehr zur Normalität auszurufen, dafür sei es eindeutig zu früh, sagt der Mayor.

An der Strandstadt am Atlantik ist der Hurrikan vorbeigezogen, ohne dass die Worst-Case-Szenarien eingetroffen wären. Mit seinem Zentrum blieb er zunächst auf dem offenen Meer. Die Prognosen, nach denen Matthew bei Cocoa Beach, ganz in der Nähe der Raketenstartrampen von Cape Canaveral, auf die Küste prallen würde, haben sich nicht bewahrheitet. Die Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern, die Meteorologen im inneren Ring des Hurrikans maßen, wurden in Cocoa Beach nicht annähernd erreicht.

Vielerorts rissen die Leitungen

Vielmehr bewegte sich der Wirbelsturm parallel zur Ostküste des Sonnenstaats nach Norden, von Palm Beach, wo Donald Trump um seinen Nobelclub Mar-a-Lago bangen musste, in Richtung Jacksonville. In der Nacht war er um eine Kategorie heruntergestuft worden, von 4 auf 3. Wobei Experten daran erinnern, dass auch der Hurrikan Katrina "nur" mit Stärke drei registriert war, bevor er im August 2005 in New Orleans die Uferdämme brechen ließ und die Metropole am Mississippi unter Wasser setzte. Und auch so hinterließ Matthew eine Spur der Verwüstung: Allein in Florida fiel für rund sechshunderttausend Haushalte der Strom aus, da vielerorts die Leitungen rissen.

Nicht der Wind an sich sei das größte Problem, bewertete unterdessen das National Hurricane Center der USA die Gefahrenlage. Das größte Problem sei vielmehr das Szenario einer ausgedehnten Sturmflut. Ein Szenario, bei dem Matthew Wasser vom Atlantik in Meeresarme und Flüsse drückt und niedrig gelegenen Küstengebieten massive Überschwemmungen drohen, zumal es stundenlang sintflutartig regnet. Jacksonville, eine 850.000-Einwohner-Stadt, in deren Nähe der St. Johns River in den Ozean mündet, galt am Freitag als besonders gefährdet.

Kein Wunder, dass Lenny Curry, der Bürgermeister von Jacksonville, den Superlativ bemühte. "Stellt euch auf einen Jahrhundertsturm ein", mahnte er. "Einen solchen Sturm hat noch keiner von uns in seinem Leben gesehen." Im Norden Floridas sind Wirbelstürme ein eher seltenes Phänomen, anders als im Süden des Sunshine State. In der Chronik Jacksonvilles muss man bis ins Jahr 1898 zurückblättern, um Berichte über einen Hurrikan zu finden. Gerade weil das so sei, weil es den heute Lebenden an einschlägiger Erfahrung mangele, könne er gar nicht laut genug warnen, sagt Curry. Und falls es glimpflich abgehe, gelte die Devise "Better safe than sorry". Soll heißen: Lieber vorher zu kräftig Alarm schlagen als hinterher bedauern, dass man die Wetterkapriolen auf die leichte Schulter genommen hat.

Menschen sollten ins Hinterland ausweichen

In Jacksonville riefen die Behörden mehr als 450.000 Menschen in überschwemmungsgefährdeten Stadtteilen auf, ihre Wohnungen zu verlassen und sich im Hinterland in Sicherheit zu bringen. Wie viele der Anweisung Folge leisteten, wusste zunächst niemand mit Bestimmtheit zu sagen. Jedenfalls machte der Rathauschef kein Hehl daraus, wie wenig Verständnis er hatte für Leute, die sich zum Bleiben entschlossen. Offenbar gebe es Zeitgenossen, die Spaß daran hätten, einen Sturm auszusitzen, wetterte Curry. Befehlen könne er nichts, wohl aber gesunden Menschenverstand anraten.

Indessen hat Matt Drudge, ein in Amerika weithin bekannter konservativer Blogger, die bizarre Evakuierungsdebatte noch zusätzlich befeuert. Er tat es mit einer Reihe von Tweets, aus denen tiefes Misstrauen sowohl in die Messungen der Experten als auch in die Weisheit staatlicher Entscheidungen spricht. Man frage sich, ob die Regierung das einfache Volk belogen und Matthews aufgebauscht habe, um die Gefahren des Klimawandels zu übertreiben, schrieb Drudge. Und kurz darauf: "Das Hurrikanzentrum hat die Daten monopolisiert.

Keine Chance, sie zu überprüfen.” Worauf der Wettermann eines Fernsehsenders in Raleigh in North Carolina anmerkte: "Wo hat diese irrsinnige Dummheit eigentlich ihre Grenzen?" Falls Drudge den Sturm für einen Scherz halte, solle er am besten nach Florida fahren, um es zu beweisen. US-Präsident Barack Obama rief für Teile Floridas, Georgias und South Carolinas den Notstand aus. In der Praxis bedeutet es, dass der amerikanische Bund, nicht die betroffenen Bundesstaaten, die Katastrophenhilfe koordiniert.

(FH)
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