Strenge Benimmregeln Wenn der Papst spricht, müssen die Abgeordneten schweigen

Washington · Die Kongressführer sind misstrauisch, ob sich die Abgeordneten während der Papstrede respektvoll verhalten. Strikte Vorgaben sollen peinliche Zwischenfälle verhindern.

Barack Obama empfängt Papst Franziskus in Washington
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Obama empfängt Papst Franziskus in Washington

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Joe Wilson tut so, als könne er kein Wässerchen trüben. "Es fiele mir nicht im Traum ein, irgendeine Form von Parteilichkeit zu zeigen", gelobt der republikanische Abgeordnete aus South Carolina. Bekannt ist Wilson jedoch, weil er einmal während einer Präsidenten-Rede das Protokoll im US-Kongress verletzte und Barack Obama "Du lügst" entgegenrief.

John Boehner, Sprecher des Repräsentantenhausen, ist deshalb argwöhnisch. Fast 20 Jahre hat er darauf hingearbeitet, einen Papst dafür zu gewinnen, vor beiden Häusern des Kongresses zu sprechen.
Franziskus nahm als erster eine formelle Einladung dazu an. Nun liegt es Boehner am Herzen, dem Kirchenoberhaupt bei seinem historischen Auftritt einen würdigen Rahmen zu bieten.

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Foto: dpa/Alessandra Tarantino

Ausdrücklich werden Senatoren und Repräsentanten dazu angehalten, von Beifallsbekundungen während der Rede abzusehen, die Franziskus am Donnerstagmorgen kurz nach 9 Uhr (Ortszeit) halten will. Wie bei einem Symphoniekonzert darf nur geklatscht werden, wenn der Papst in den Kongress schreitet. Weiterer Beifall ist erst wieder am Ende der etwa zwanzig Minuten langen Rede in englischer Sprache erlaubt.

Der Vatikan wies die Politiker darauf hin, dass weder enthusiastische Begeisterungsrufe noch Missfallensäußerungen schicklich sind. Erst recht verpönt sind Zwischenrufe, Pfiffe oder andere Unterbrechungen.
Ein wenig so eben wie bei Sonntagspredigten, die katholische Gemeindemitglieder auf den Kirchenbänken in der Regel auch erst einmal hinnehmen. Im Kongress herrschen dagegen andere Gepflogenheiten.

Eine andere Sorge der Organisatoren betrifft Abgeordnete, die versuchen könnten, sich dem Papst auf ungebührliche Weise zu nähern.
"Anschauen aber nicht berühren", lautet eine Regel, die John Boehner auf Wunsch des Vatikan übermittelte. Nur wenn der Papst dazu einlade, sei es angemessen, ihm die Hand zu schütteln. Katholiken dürften auch den Ring küssen, den Franziskus an der rechten Hand trägt. Sowohl Boehner als auch die ebenfalls katholische Oppositionsführerin Nancy Pelosi kennen ihre Abgeordneten, die nichts unversucht lassen, sich kameragerecht in Szene zu setzen. Hinzu kommt, dass rund ein Drittel der Anwesenden Katholiken sind.

In enger Zusammenarbeit mit Rom entwickelten Mitarbeiter der Kongressführer daher einen Plan, den Papst vor Grabschern, "Selfie"-Jägern und Aufmerksamkeitshaschern zu schützen. Da Polizisten und die Soldaten der Schweizer Garde in den Parlamentsreihen fehl am Platze wären, wählten Boehner und Pelosi 50 für ihre Besonnenheit bekannte Fraktionsmitglieder aus, um die Plätze direkt neben dem Gang zu besetzen.

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Foto: ap, AJM AG

Die Aufgabe dieser Abgeordneten besteht darin, unruhigen Kollegen den Weg zum Papst zu versperren. Offiziell begründet Boehner die ungewöhnlichen Maßnahmen mit dem Bemühen, den knapp getakteten Fahrplan des Papstes nicht durcheinanderzubringen. Deshalb bleiben, nachdem Franziskus den Raum verlassen hat, die Türen zudem ungefähr eine halbe Stunde lang verschlossen.

Klare Vorgaben gibt es auch bei der Kleiderordnung. Das US-Außenministerium erteilte dem Kongress auf Anfrage Ratschläge zum angemessenen Auftreten: dunkle Garderobe für alle, bedeckte Schultern und Röcke, die über die Knie reichen für die Damen. Wer sich mit all dem nicht anfreunden kann, der bleibt besser zu Hause.

(KNA)
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