Papst Franziskus und Patriarch Kirill Ein historisches Treffen, ein historischer Kuss

Havanna · Franziskus hat als erster Papst der Kirchengeschichte das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche getroffen. Auf der Agenda: Nahost, Religionsfreiheit und Ökumene. Ein historischer Moment vor denkwürdiger Kulisse.

Die Umstände der ersten Begegnung eines russisch-orthodoxen Patriarchen und eines römischen Papstes hätte sich nicht einmal ein Romanautor des in Lateinamerika beliebten fantastischen Realismus besser ausdenken können.

Auf dem Flughafen von Havanna, dessen "VIP"-Bereich noch immer den Charme des Karibiksozialismus der 1970er Jahre ausstrahlt, begegneten sich der am Vortag aus Moskau angereiste Patriarch Kyrill I. und der auf der Durchreise nach Mexiko befindliche Papst Franziskus. Als Gastgeber fungierte Raul Castro, der letzte amtierende Karibikdiktator.

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Papst Franziskus trifft Patriarch Kirill auf Kuba

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Einige dekorative Pflanzen, ein hohes Kruzifix in der Mitte zwischen den Sesseln der beiden Kirchenoberhäuptern und die mit Bedacht ausgewählten Geschenke sorgten für einen halbwegs würdigen Rahmen, als die beiden in Weiß gekleideten Männer einander schließlich im Blitzlichtgewitter begegneten.

"Wir sind Brüder!", war die auf Spanisch vorgetragene Botschaft des Papstes an den Patriarchen. Schon auf dem Flug von Rom hatte er das russische Kirchenoberhaupt als "meinen lieben Bruder Kyrill" bezeichnet. Um die Bedeutung des Augenblicks weiter aufzuladen, sprach er nun noch vom "Willen Gottes", der sich in dieser Begegnung vollziehe. Kyrill betonte ein wenig nüchterner, dass "jetzt alles leichter ist".

Beide umschrieben so auf unterschiedliche Weise die Tatsache, dass ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nun mit Verspätung die Begegnung zwischen dem "Rom des Westens" und dem nach Byzanz "zweiten Rom des Ostens" vonstattengehen konnte.

Dazwischen lag das aus Moskauer Sicht wenig erfreuliche polnische Pontifikat Johannes Paul II. mit den heftigen Konflikten zwischen Katholiken und Orthodoxen in der Ukraine und der Errichtung römisch-katholischer Bistümer auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Theologisch und kirchenpolitisch hatte bereits Papst Benedikt XVI. den Weg zu einer Annäherung geebnet, doch offenbar bedurfte es der entwaffnenden Umarmungs-Diplomatie des lächelnden argentinischen Papstes, um das Eis endgültig zum Schmelzen zu bringen.

In der gemeinsamen Erklärung, die beide auf dem quasi neutralen Boden Kubas unterzeichneten, warnen Papst und Patriarch eindringlich vor der Gefahr eines neuen Weltkriegs. Mit Blick auf die Konflikte im Nahen Osten appellieren sie an alle Beteiligten, "guten Willen" zu zeigen und "sich an den Verhandlungstisch zu setzen". Die internationale Gemeinschaft müsse alle Anstrengungen unternehmen, um dem Terrorismus ein Ende zu setzen. Zudem sprechen sie sich für die Achtung der Religionsfreiheit aus. Sie beklagen dabei auch Einschränkungen der Rechte von Christen in Europa durch einen "oft sehr aggressiven Säkularismus". Nach der Unterzeichnung betonten die Kirchenführer den Wunsch nach Kooperation und Wiederherstellung der christlichen Einheit.

Im Vatikan ist unterdessen die Begeisterung für den historischen Moment nicht bei allen gleich groß. Osteuropäer an der Kurie erinnern an die große Nähe des Patriarchen zum russischen Präsidenten Putin und an die wieder erwachenden Großmachtansprüche Russlands in der Ukraine, im Kaukasus und im Nahen Osten. Bis zuletzt war unklar, wie weit der Papst dem mitunter kulturpessimistischen und antiwestlichen Grundton des Patriarchen in der gemeinsamen Erklärung entgegenkommen würde.

Nach der Unterzeichnung und einer weiteren brüderlichen Umarmung bestieg der Papst wieder die Alitalia-Maschine und flog weiter nach Mexiko, wo er eine sechstägige Pastoralreise absolviert.

Patriarch auf dem Weg nach Südamerika

Auf dem Programm des Patriarchen stand am Samstag noch die Weihe der neuen russisch-orthodoxen Kirche in Havanna, bevor am Sonntag seine zehntägige Rundreise durch Südamerika mit Stationen in Paraguay und Brasilien beginnt. Dort will er unter anderem an den 70. Jahrestag der Gründung der russisch-orthodoxen Diözese von Argentinien und Südamerika erinnern, zu der auch Brasilien gehört. Tausende Russen waren nach der Oktoberrevolution nach Brasilien, Argentinien und in andere Länder des Subkontinents ausgewandert. Den Nachfahren dieser Exilanten gilt die 12-tägige Reise Kyrills, die mit dem Besuch in Kuba begann.

(spol/KNA)
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