Bürgerwehr in Finnland Clownsnasen stellen sich Odins Soldaten entgegen

Tampere · Sie tragen rote Nasen und bunte Kostüme, in der Hand halten sie Klobürsten und auf Schildern werben sie für "Frieden & Popcorn". Im finnischen Tampere ziehen Clowns durch die Straßen, um diese "sowohl sicherer als auch lustiger für alle Menschen" zu machen. Doch hinter ihrem heiteren Auftreten steckt ein ernster Auftrag: den "Soldiers of Odin" etwas entgegenzuhalten.

Finnland: Mit Ironie gegen die "Söhne Odins"
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Die rechten Bürgerwehren, die sich in einer skandinavischen Stadt nach der anderen formieren, wollen deren Einwohner vor Asylbewerbern schützen. "Migranten NICHT willkommen" stellen sie bei Demonstrationen auf ihren Bannern klar. Schwarze Jacken mit Logos weisen sie als Mitglieder der "Soldiers of Odin" aus. Auf ihrer Facebook-Seite verlinken sie Horror-Geschichten von kleinen Jungen und wehrlosen Frauen, die von Ausländern angegriffen wurden.

"Wir sind keine Nazis"

Interviews will die Gruppe nicht geben, "weil alle Medien uns schon als Nazis abgestempelt haben. Wir sind keine Nazis", schreiben sie in einer Facebook-Nachricht an die Deutsche Presse-Agentur.

Entstanden sind die nach dem nordischen Kriegsgott benannten "Soldaten" in Finnland, nachdem seit dem Herbst Übergriffe durch Asylbewerber auf Frauen in Helsinki und anderen Städten bekannt geworden waren. Weil die Polizei die Bürger ihrer Ansicht nach nicht gut genug schütze, müssten sie selbst aktiv werden, befanden die von Forschern als Faschisten eingestuften "Soldaten". Ihre Hauptgruppe hat bei Facebook mehr als 30.000 Fans.

Inzwischen haben sich in ihrem Namen auch in anderen Ländern Bürgerwehren formiert. So ging etwa im norwegischen Tønsberg vor kurzem erstmals ein Dutzend selbsternannter "Soldaten" auf die Straße. Auch in Estland haben die "Soldiers of Odin" Unterstützer.

"Ich würde die Mitgliederzahl und den Aktivitätslevel aber nicht überschätzen", sagt der finnische Forscher Oula Silvennoinen. "Die Soldaten wollen an 23 verschiedenen Orten vertreten sein, eine meiner Meinung nach übertriebene Behauptung." Ihre Aktionen seien sporadisch und konzentrierten sich vor allem auf Finnlands Osten und Norden.

Im nordfinnischen Kemi, ihrem Ursprungsort, ließen sich die "Soldiers" nach einem Bericht des TV-Senders "Yle" vor rund einer Woche offiziell als Organisation registrieren. Den Clowns drohten sie danach mit rechtlichen Schritten, falls die nicht aufhörten, ihren Namen zu veralbern. Denn die Truppe nennt sich "Loldiers of Odin".

Die Clowns sehen keine Verwechslungsgefahr mit den "Soldiers": "Sie sind düster und ein bisschen angsteinflößend. Sie denken nur in Weiß und tragen nur Schwarz. Das ist langweilig. Wir ziehen Farben vor", schreiben sie an einer E-Mail an die Deutsche Presse-Agentur.
Gerüchten zufolge sei es aber gerade "sehr trendy, die Straßen zu patrouillieren", verkünden die "Loldiers" auf ihrer Webseite.

Die Regierung habe "verwirrenderweise" im Umgang mit den Bürgerwehren lange auf Stumm geschaltet, meint Silvennoinen. Erst spät nach dem ersten Auftreten der "Soldiers" stellt Regierungschef Juha Sipilä klar: "Wir brauchen keine Straßenpatrouillen in Finnland." Die Polizei sei dafür da, für Ordnung zu sorgen.

Zuspruch für die Soldiers in der Bevölkerung

Dass die Patrouillen unnötig sind, finden längst nicht alle. Die Ankunft von 30.000 Asylbewerber im vergangenen Jahr hat in Finnland Polarisierung und Panik entfacht, die Nationalisten für sich genutzt haben. "Finnland bleibt ein ziemlich homogenes Land in Bezug auf Ethnizität und Kultur, was ein Grund dafür ist, dass der Widerstand gegen die Einwanderung lange Zeit so groß war", sagt Silvennoinen.

Dazu kommt die wirtschaftliche Krise, die bei Bürgern Existenzängste auslöst. "Das befeuert wütende Reaktionen gegen Flüchtlinge, die als Bürde für den Staat und auf Sozialleistungen angewiesen beschrieben werden", erklärt der Forscher. Finnlands Präsident Sauli Niinistö nannte Migration jüngst eine Bedrohung für westliche Werte.

Auf der anderen Seite gehen nicht nur die "Loldiers" nach eigener Aussage "mit Liebe und Süßigkeiten" gegen die fremdenfeindlichen Bürgerwehren an. Auch namhafte Feministinnen haben den Schutz der "Soldaten" für unerwünscht erklärt und eigene Patrouillen gestartet.

"Das sind Versuche, den öffentlichen Raum aus den Händen der Extremisten zurückzugewinnen, deren Präsenz viele als bedrohlich empfinden", sagt Silvennoinen. Statt mit Muskelkraft machen die Clowns das mit der "mächtigen Waffe des Lachens".

(felt/dpa)
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