Verhinderter Terrorangriff Die Helden des Thalys 9364

Paris · Sie waren im Zug unterwegs, um zusammen Urlaub zu machen. Doch um 17.50 Uhr am Freitagabend wurde die Reise von Alek Skarlatos, Spencer Stone und Anthony Sadler durch einen den Geheimdiensten bekannten radikalen Islamisten brutal unterbrochen. Das beherzte Eingreifen der drei jungen Amerikaner und eines Briten hat ein Blutbad verhindert.

 Das sind die drei Helden von Thalys 9364.

Das sind die drei Helden von Thalys 9364.

Foto: afp, ALB

Die drei jungen Männer aus den USA wurden ungewollt zu Helden. Im Wagen zwölf des voll besetzten Thalys 9364 von Amsterdam nach Paris stoppten sie den Marokkaner Ayoub K., der mit einer Kalaschnikow im Anschlag auf Passagiere schießen wollte. "Ich bin zusammen mit meinen Freunden auf meiner ersten Reise in Europa gewesen und wir haben einen Terroristen gefasst", schildert der Student Sadler im französischen Fernsehen die Tat, die ihn über Nacht berühmt machte.

"Wenn sie nicht dagewesen wären ...", titelte am Sonntag die Zeitung "Le Parisien". Das Szenario ist erschreckend, denn Ayoub K. hatte laut Innenminister Bernard Cazeneuve nicht nur die Kalaschnikow und ein Teppichmesser, sondern auch eine Pistole und neun Magazine mit jeweils 30 Patronen dabei — also 270 Schüsse, die er hätte abgeben können. Mit nacktem Oberkörper und Kalaschnikow in der Hand kam K. aus der Toilette und traf als erstes auf einen 28-jährigen französischen Banker, der versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen, aber zu Boden geworfen wurde.

Als der Täter dann Wagen zwölf betrat, gab er einen Schuss ab, der einen Franko-Amerikaner verletzte. "Wir haben einen Schuss gehört und berstendes Glas. Dann haben wir einen Zugbegleiter rennen sehen, der von einem Mann mit einer automatischen Waffe verfolgt wurde", beschreibt Sadler die Szene. "Alek schrie: ,Spencer, schnapp' ihn dir' und Spencer stürzte sich auf ihn."

Spencer Stone wurde von dem Attentäter mit einem Teppichmesser am Finger verletzt, konnte das Krankenhaus am Samstagabend aber schon wieder verlassen. Der 23-Jährige reagierte schnell, weil er es als Soldat so gewohnt ist: Er ist als Obergefreiter der US-Luftwaffe auf den Azoren stationiert. Ähnlich erfahren ist Alek Skarlatos, der als Stabsgefreiter der Reserve der US-Nationalgarde gerade von einem Einsatz in Afghanistan zurückkam.

Hinten in Wagen zwölf saß der Brite Chris Norman hinter seinem Laptop. "Meine erste Reaktion war, mich zu verstecken", gesteht der 62-Jährige, der in Südfrankreich lebt, hinterher. "Doch dann hörte ich, wie zwei Amerikaner mit ihm kämpften und sagte mir, dass das unsere Chance ist." Norman eilte den jungen Männer zu Hilfe, die den Täter bewusstlos schlugen und mit der roten Krawatte des Briten fesselten. US-Präsident Barack Obama lobte die "heldenhafte Tat", die möglicherweise eine schlimmere Tragödie verhindert habe.

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Ayoub K. bestritt später, einen Terrorakt geplant zu haben. Er habe die Waffen zufällig in einem Park in Brüssel gefunden und damit Passagiere ausrauben wollen. Eine Version, die Experten dem 25-Jährigen nicht abnehmen. Denn K. war den spanischen Geheimdiensten bereits bekannt, weil er eine für ihre radikale Ausrichtung bekannte Moschee im andalusischen Algeciras besuchte. Die spanischen Behörden warnten ihre französischen Kollegen 2014 vor dem Marokkaner, der in Drogengeschäfte verwickelt war und sich im Großraum Paris niederlassen wollte. K. bekam daraufhin einen Sicherheitsvermerk der französischen Geheimdienste, die seit den Anschlägen in Januar auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt vor neuen Herausforderungen stehen.

In den vergangenen Monaten lebte K. dann in Belgien. Am 10. Mai soll er jedoch in Berlin eine Germanwings-Maschine Richtung Istanbul bestiegen haben, möglicherweise Richtung Syrien. Von dort aus soll K. Ende Mai zurückgekommen sein — um drei Monate später im Thalys 9364 auf dem Weg nach Paris um sich zu schießen.

Nach dem vereitelten Terrorakt will die belgische Regierung nun die internationalen Hochgeschwindigkeitszüge dauerhaft sicherer machen. Der belgische Premier Charles Michel brachte dafür Kontrollen wie beim Eurostar-Zug ins Spiel, der vom europäischen Festland aus nach London verkehrt. "Was für den Eurostar möglich ist, muss letztlich auch für andere internationale Züge möglich sein", sagte der liberale Politiker. EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc teilte auf Twitter mit, die Sicherheitsmaßnahmen für Zugreisende sollten überprüft werden. Deren Sicherheit habe erste Priorität.

(RP)
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