Moskau am Tag nach den U-Bahn-Anschlägen Die Angst fährt mit

Düsseldorf (RPO). Knapp 24 Stunden nach den Anschlägen auf die Moskauer U-Bahn müssen Millionen russischer Pendler wieder zur Arbeit. Der Kreml hat die Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärft. Doch das Gefühl der Sicherheit ist verschwunden. Der Terror ist zurück in den Köpfen.

 Der tschetschenische Untergrundkämpfer Doku Umarow will ein unabhängiges islamisches Emirat errichten.

Der tschetschenische Untergrundkämpfer Doku Umarow will ein unabhängiges islamisches Emirat errichten.

Foto: CECENONLINE.COM, AFP

Es ist der Tag danach. In Russland herrscht Staatstrauer. Die Flaggen wehen auf Halbmast, Fernsehsender und Theater sagten ihre Unterhaltungsprogramme ab. Die Bewohner der russischen Hauptstadt gedenken der inzwischen 39 Todesopfer. Menschen legten an den U-Bahn-Stationen Lubjanka und Park Kultury zahllose Blumen nieder. Dort, an zwei Knotenpunkten der roten Linie des Moskauer U-Bahnplans, hatten sich am Montag die Anschläge ereignet.

Die Sicherheitsvorkehrungen in Moskau wurden spürbar verschärft. Zusätzliche Polizisten mit Hunden patrouillieren in den U-Bahn-Stationen und ihrer Umgebung. Sie sind mit Maschinengewehren bewaffnet. Die staatliche Bahngesellschaft RZD erklärte, sie habe ihren Mitarbeitern "besondere Instruktionen zur Erhöhung der Wachsamkeit" gegeben.

Neun Millionen Pendler

Es gilt, der Bevölkerung das Gefühl der Sicherheit wiederzugeben, das sich in den vergangenen sechs terror-freien Jahren eingestellt hatte. Der Doppelanschlag vom Montag hat dieses Gefühl weggebombt. Er hat die Moskauer ins Mark getroffen. Die Anschlagspunkte, die U-Bahn-Stationen Lubjanka und Park Kultury, waren offensichtlich mit eiskaltem strategischen Kalkül ausgewählt. Dort pulsiert morgens im Berufsverkehr das Leben. Etwa neun Millionen Menschen fahren täglich mit der Moskauer Metro. Zu den Hauptverkehrszeiten sind die Bahnsteige und Züge hoffnungslos überfüllt.

Seit dem gestrigen Nachmittag fährt die U-Bahn wieder. Die blutigen Spuren der Selbstmordanschläge sind so weit wie möglich beseitigt. In den Wänden sind noch die Einschlagslöcher der Explosion zu sehen, die Blumen und Kerzen mahnen zur Stille. Doch es muss weitergehen. Die Menschen sind wieder auf dem Weg zur Arbeit.

Misstrauen auf dem Bahnsteig

Im russischen Radio raten Sicherheitsexperten dazu, auf dubiose Personen zu achten, berichtet ein Korrespondent einer deutschen Tageszeitung. Sollte man Verdacht schöpfen, empfehle es sich, einen anderen Waggon zu besteigen. Neun Millionen Menschen im Berufsverkehr. Nur ein einzelner von ihnen könnte erneut für ein Blutbad sorgen.

Die Angst und das Misstrauen fahren mit. Zumal noch immer nicht hundertprozentig sicher ist, wer die die Tat begangen hat. Der Geheimdienst macht Rebellen aus den Konfliktgebieten im Nordkaukasus verantwortlich. Außenminister Sergej Lawrow schließt auch eine Beteiligung des Terrornetzwerks Al Qaida nicht aus.

Spur nach Tschetschenien

Die Spur, die die russischen Behörden nahezu reflexartig verfolgen, führt demnach nach Tschetschenien. Vor einigen Wochen erst hatte Untergrundkämpfer Doku Umarow damit gedroht, den Terror in die russische Metropolen zu tragen. "Der Krieg kommt in die Städte", hieß es in der im Internet veröffentlichten Botschaft. "Ich habe das Gefühl, dass wir im Krieg sind", sagte ein Passant am Nachmittag nach den Anschlägen.

Angst, Misstrauen und auch Hass sind in der Bevölkerung zu spüren. Wohin das führen kann, zeigt ein Bericht eines Radiosenders vom Montag: Zwei Frauen, die Kopftücher im muslimischen Stil trugen, wurden von Passanten zusammengeschlagen. Vermutlich weil sie die Schläger an die Selbstmordattentäterinnen vom Montag erinnerten, beide mutmaßlich islamische Extremistinnen.

Mit Agenturmaterial

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