Leere Käfige und hungernde Tiere Der Horror-Zoo von Gaza

Chan Junis · Von den einst hunderten Bewohnern des Tierparks im Zoologischen Garten von Chan Junis ist nur noch ein trauriger Rest übrig. Und der einsame Tiger hat seit Tagen nichts mehr gefressen.

Kadaver und einsame Tiere: Das ist vom Zoo in Gaza übrig
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Das ist vom Zoo in Gaza übrig

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Foto: afp, SK

Gehege sind verwaist, Pflanzenbewuchs breitet sich aus. Der Verwesungsgestank von Kadavern hängt schwer in der Luft. Katzen streunen durch die Gitterstäbe, während ein junger Hund heult. Von den vielen Tieren, die der Zoo in der Stadt am Südende der isolierten Palästinenserenklave seit seiner Gründung 2007 versammelt hatte, zeugen nach dem letzten Krieg leer stehende Käfige und Gehege.

Ihr trauriges Dasein fristen hier noch eine Ricke aus der einst großen Rehgruppe, ein flügellahmer Pelikan, ein Strauß mit glanzlosen Federn, zwei Stachelschweine und der hungrige, aber weiter majestätisch einherschreitende Tiger.

Futter ist unbezahlbar

Jahrelang hat sich die 13-köpfige Familie von Mohammed Aweda um die sechzig Käfige gekümmert, die ihr den Lebensunterhalt sicherten. Nun verkündet Aweda das Aus für den Zoo.

"Der Tiger hat seit vier Tagen kein Fleisch mehr bekommen", berichtet der Zoobesitzer. Das Tierfutter koste ihn 250 Schekel (etwa 58 Euro) täglich. "Soviel habe ich in den vergangenen zwölf Monaten nicht eingenommen." Denn die Besucher bleiben aus.

Große Attraktion bei Eröffnung

Als der Tierpark öffnete, war er eine große Attraktion. Familien drängten sich auf dem 2000 Quadratmeter großen Gelände, um Adler, Löwen, den Tiger, die Herde Geweihträger, Pelikane und sogar Krokodile zu bewundern. Für drei Schekel bot der Zoobesuch eine tolle Abwechslung.

Seit 2007 die radikalislamische Hamas die Macht im Gazastreifen errang, führte sie drei Kriege mit Israel. Beim letzten Waffengang, im Sommer 2014, starben nach Angaben der UNO 2251 Palästinenser, in der Mehrzahl Zivilisten, und 73 Israelis, darunter 67 Soldaten. Auch die Zootiere von Chan Junis gerieten in den Bombenhagel, rund achtzig von ihnen überlebten das Kriegsende nicht, sagt Mohammed Aweda.

"Wegen des Pestilenzgeruchs habe ich das Gelände erst einige Tage nach den Bombardierungen betreten können. Überall fand ich Kadaver", berichtet er. Die Zerstörungen in der Palästinenserenklave, die anhaltende Blockade des Waren- und Personenverkehrs durch Israel und Ägypten haben die grassierende Armut immens gesteigert. Geld für einen Zoobesuch wurde zum unerschwinglichen Luxus.

Geradezu skurril wirkt das verblassende Schild mit der Mahnung, "die Sauberkeit des Ortes zu achten". Es steht vor einem Käfig, in dem die Leichen von Krokodilen und einem unwirklich aufgerichtet wirkenden Löwen in der Sonne vertrocknen. Darum herum liegen viele Rehknochen. Auch die beiden anderen Tierparks im Gazastreifen gleichen heute mehr einem Freiluftfriedhof als einem Ausflugsziel.

"Einen Zoobesuch kann sich heute keiner mehr leisten", sagt der Schulbusfahrer Tamer al-Nirab, der früher täglich Dutzende Kinder hierher chauffierte. Vier von fünf Einwohnern des Küstengebiets sind inzwischen von internationaler Hilfe abhängig. Die Erwachsenen der Aweda-Familie versuchen mit anderen Tätigkeiten, Geld für die Ernährung der Kinder und der letzten Tiere zu verdienen.

"Einige meiner Brüder wurden Fahrer, andere schlagen sich mit Gelegenheitsjobs durch", sagt Mohammed Aweda. Hinter ihm schreitet der achtjährige Tiger, noch 180 Kilogramm schwer, durch seinen Käfig. Es sei ein Mammutaufwand gewesen, ihn herzubringen, berichtet Aweda mit leichtem Stolz: "Erst flog er vom Senegal nach Ägypten und kam dann durch einen der Tunnel vom Sinai nach hier."

Nun ruhen auf der Raubkatze all' seine Hoffnungen auf ein geordnetes Ende: Für umgerechnet rund 27.000 Euro hofft er das Tier abgeben zu können. Danach will er auch das Gelände verkaufen und den Tierpark dicht machen.

(lukra/AFP)
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