Augenzeugenberichte Tanznacht im "Pulse" endet als Alptraum und in "Pfützen von Blut"

Orlando · Eigentlich sollte es eine heiße Nacht mit lateinamerikanischer Musik im Club "Pulse" werden. Dann verwandelt ein Mann mit Waffen die Szene in ein Blutbad. Am Ende sind mindestens 50 Menschen tot.

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Foto: dpa, pt

Christopher Hansen glaubte zuerst, dass es die Musik war. Dann sah er, wie sich Leute auf den Boden warfen, andere zum Ausgang flohen. "Es war ein Bang, Bang, Bang - eines nach dem anderen. Es dauerte so lange wie ein Song." Auch Rosie Feba nahm es zuerst nicht ernst, als ihre Freundin ihr sagte: "Jemand schießt." Bis sie den Unbekannten mit der Waffe sah. Die beiden Frauen rannten, nahmen auf ihrem Weg einen Verletzten mit, der Ärmel seines T-Shirts blutgetränkt. Andere wählten die 911 - die Notrufnummer in den USA.

Rennen und Schutz suchen, Schreie und Blut - und immer wieder das "Bang, Bang, Bang". Eine Nacht, in der die Menschen im Schwulenclub "Pulse" einfach nur tanzen und sich amüsieren wollten, verwandelt sich in einen Alptraum.

"Pulse" ist ein überaus populärer Club in der US-Stadt Orlando, bezeichnet sich selbst als "heißeste Gay Bar" - immer proppenvoll, aber an diesem Samstagabend besonders. Schließlich ist Juni der "Gay Pride Month", in dem Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle die Fortschritte feiern, die sie nach langen Jahren gesellschaftlicher Diskriminierungen erreicht haben. Und dann stand im Club eine Latin Night auf dem Programm, mit heißen Rhythmen und kühlen Drinks.

Mehr als 300 Menschen, so hieß es später, waren da, als der Schrecken begann, viele von ihnen auf der Tanzfläche, "a last dance" vor der Schließung des Clubs um 2 Uhr. Es war das erste Mal, dass Rosie Feba ihre Freundin in den Club mitgebracht hatte, wie sie dem "Orlando Sentinel" schilderte. Beide gehörten zu den Glücklichen, blieben unversehrt und konnten anderen noch helfen.

Auch Hansen wurde zum Retter: Er stillte das Blut eines Angeschossenen mit seinem Halstuch und hob den Mann zusammen mit anderen Helfern auf die Ladefläche eines Pickup. Es sei schrecklich gewesen, sagte er der Zeitung. "Überall Pfützen von Blut."

Stundenlang, nachdem der Schütze das Feuer eröffnet hatte, herrschte Unklarheit darüber, was sich drinnen im Club abgespielt hatte. Dass es schlimm war, darauf deutete zuerst ein Aufruf des Clubs auf der eigenen Facebook-Seite hin: "Verlasst Pulse und rennt." Wer in den USA zu dieser frühen Morgenstunde noch oder schon vor dem Fernseher saß, sah dann Bilder von Streifenwagen mit blinkenden Lichtern, hier und da ein Krankenwagen, nicht viel mehr: Die Polizei hatte das Gelände weiträumig abgeriegelt. Dann eine nur knapper Tweet der Polizei, der auf zahlreiche Opfer hindeutete.

Später die ersten Berichte von Augenzeugen, darunter Ricardo Negron Almodovar, der knapp den Schüssen entging. "Leute auf dem Tanzboden und an der Bar warfen sich hin, und einige von uns schafften es zur Tür nach draußen und rannten", postete er auf Facebook.

José Torres arbeitet in einem rund um die Uhr geöffneten Donut-Shop auf der Straßenseite gegenüber des Clubs. "Es war etwas, was ich noch nie gesehen habe", zitierte ihn der Fernsehsender CNN. "Ich habe eine Menge Leute gesehen, schreiend, weinend. Einfach schreiend und herausrennend, wie verrückt."

Eine Pressekonferenz der Polizei wird verschoben, die Situation sei noch im Fluss, hieß es. Da hatten sich vor Krankenhäusern schon Freunde und Angehörige von Clubbesuchern versammelt, manche von ihnen waren per Handy von ihren Lieben drinnen alarmiert worden, schilderten praktisch live, dass geschossen werde, überall Blut sei. Unter den Wartenden war eine Mutter, ihr Sohn hatte ihr in einem kurzen Anruf gesagt: "Ich bin getroffen worden." Hat er überlebt, wird im Krankenhaus versorgt? Die Mutter weint: "Ich weiß es nicht. Niemand kann es mir sagen."

Am Morgen bestätigt die Polizei das Ausmaß des Blutvergießens. Bürgermeister Buddy Dyer spricht von 50 Toten, 53 Verletzten. Und natürlich taucht sofort die Frage nach dem Warum auf. War es ein Verbrechen aus Schwulenhass, spielte radikaler Islamismus eine Rolle? "Wir gehen allen Aspekten nach", sagt die Polizei. Zu diesen Zeitpunkt wissen viele Menschen immer noch nicht, ob ihre Angehörigen überlebt haben. "Wir müssen stark sein", sagt Orlandos Bürgermeister.
Und der Club "Pulse" postet einen Aufruf zum Gebet.

(felt/dpa)
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