Die Indianer verelenden im Reservat von Arizona Apachen leben als Bettler im eigenen Land

San Carlos (rpo). Die wilden Krieger von einst sind im Elend versunken: Im Apachen-Reservat von Arizona herrschen Drogen und Gewalt. Kaum jemand geht einer richtigen Arbeit nach. Vom Glanz der Nachkommen Häuptling Geronimos ist nichts geblieben.

Der alte Mann muss seinen Stolz herunterschlucken. Mit abgewandtem Blick und leiser Stimmer fragt er: "Haben Sie vielleicht ein oder zwei Dollar, mein Herr?" Es ist eisig kalt in San Carlos, das einst zum Hoheitsgebiet der stolzen und scheinbar unbezwingbaren Apachen gehörte. Heute ist Arizona ein US-Bundesstaat wie alle anderen, die früheren Indianerkrieger fristen ihr Leben inmitten von Armut und Kriminalität im Reservat.

Der Apachen-Stamm in San Carlos hat zwar noch immer einen Anführer - erstmals in seiner Geschichte ist der sogar eine Frau. Doch beschützt und verteidigt wie von ihrem legendären Häuptling Geronimo fühlen die Menschen hier sich schon lange nicht mehr. "Ich habe sie gewählt. Aber sie hat nichts für uns gemacht, sie hat nur alle Arbeitsplätze in ihrer eigenen Familie verteilt", schimpft Josephine Cutter, eine ältere Frau mit langem, ergrauendem Haar, über die Anführerin Kathleen Wesley-Kitcheyan.

Die offiziellen Arbeitslosenquote im Apachenreservat von San Carlos lag 2002 bei 25,6 Prozent - glaubt man den Behörden des Staates Arizona. Glaubt man den Bewohnern des Reservats, liegt sie bei 60 Prozent oder mehr. "Fast niemand hier arbeitet", sagt Josephine Cutter.

An der Hauptstraße des Reservats stehen ein paar trostlose graue Hochhäuser. Hier kommen die Arbeitlosen Woche für Woche, um sich ihre minimale staatliche Unterstützung abzuholen. Arbeiten kann man nach Angaben eines Einheimischen im Reservat nur noch als Tischler oder als Bergarbeiter in einer Mine mit Halbedelsteinen, aus denen traditioneller Schmuck für Touristen hergestellt wird.

Die Bewohner des Reservats sind arm an Besitz, an Perspektiven und Hoffnung - reich sind sie nur noch an Land. 10.000 Menschen leben auf einem Gebiet, das dreimal so groß ist wie Luxemburg, ein Land mit 450.000 Einwohnern. Inmitten dieser Ödnis sprechen nur noch wenige Apachen die Sprache ihres Stammes; viele Jugendliche verweigern sich der traditionellen Kultur komplett. Alkoholismus und Gewalttätigkeit greifen in den Familien wie eine Krankheit um sich. Immer mehr außerehelich geborene Kinder müssen in Heimen aufwachsen.

Obwohl der Schnee in dicken Flocken vom Himmel fällt, hat sich eine kleinere Gruppe Menschen vor der Kirche des Reservats zu einer Beerdigung versammelt. "Allein in den vergangenen beiden Monaten haben wir drei Opfer von Verbrechen begraben", sagt Dean, der im Reservat für die Bestattungen zuständig ist und seinen Nachnamen lieber nicht sagen will. "Meiner Meinung nach sterben die meisten Menschen hier noch vor ihrem 55. Geburtstag."

Angesichts dieser Realitäten verlieren sich viele in überlieferten Erinnerungen: Unter der Führung ihrer legendären Häuptlinge Geronimo und Cochise waren die Apachen einst einer der gefürchtesten Indianerstämme Amerikas; ihr Land reichte von Nordmexiko bis nach Arizona und Texas.

Jahrzehntelang bekämpften sie die weißen Eroberer und Siedler; versuchten Herr über ihr eigenes Land zu bleiben, indem sie Vieh stahlen, Farmen anzündeten und Geiseln nahmen. Doch die Weißen rächten sich: 1871 töteten Farmer nahe San Carlos 140 Apachen - nur acht von ihnen waren erwachsene Männer.

1886 mussten Geronimo und seine verbliebenen Krieger sich schließlich der immer stärker werdenden US-Armee stellen. Sie wurden ins Exil nach Florida geschickt, ihr Stamm verkümmerte langsam im Reservat. "Nicht einmal Pferde haben wir noch", sagt der Indianerjunge David Perotti. "Nur eines machen wir noch immer: Jedes Frühjahr tanzen wir den Sonnentanz."

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