Anschlag von Nizza Premierminister Valls: Täter hatte Kontakt zu Islamisten

Nizza · Frankreich in Trauer, schon wieder: Mit einem Lastwagen rast ein Mann am Nationalfeiertag in Nizza in eine Menschenmenge. Es kommen mindestens 84 Menschen ums Leben. Nach Aussagen von Premierminister Valls spricht vieles für einen islamistischen Hintergrund.

Anschlag in Nizza: Lkw wird abtransportiert
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Lkw des Nizza-Anschlags wird abtransportiert

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Foto: dpa, htf kno

Zum dritten Mal innerhalb von anderthalb Jahren wird Frankreich von einem brutalen Terroranschlag erschüttert. 50 Menschen schwebten am Freitagabend noch in Lebensgefahr. Mindestens drei der Todesopfer stammen aus Deutschland. Das Bezirksamt von Berlin-Charlottenburg bestätigte am Nachmittag den Tod von zwei Schülerinnen und einer Lehrerin in Nizza. Alle akuellen Entwicklungen in unserem Liveblog.

Täter ist Vater von drei Kindern

Der 31-jährige Täter - ein Franko-Tunesier, der bislang nur als Kleinkrimineller aufgefallen war - raste am Donnerstagabend kurz vor 23 Uhr mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge. Dort feierten gerade 30.000 Menschen auf dem Strand-Boulevard Promenade des Anglais den 14. Juli, Frankreichs Nationalfeiertag. Der Täter - selbst Vater von drei Kindern - wurde erst nach mehreren Minuten von der Polizei erschossen.

Möglicherweise wird sich die Zahl der Todesopfer noch deutlich erhöhen. Staatspräsident François Hollande berichtete, es befänden sich noch etwa 50 Menschen in akuter Lebensgefahr. Zugleich mahnte er, Frankreich habe den Terrorismus noch lange nicht besiegt. "Wir müssen alles tun, um die Geißel des Terrorismus zu bekämpfen." Der Ausnahmezustand, der in Frankreich seit den Pariser Anschlägen vom November gilt, wird nun nochmals um drei Monate verlängert.

Rätsel über Hintergrund des Täters

Unklar war zunächst aber, ob dieses Attentat einen islamistischen Hintergrund hat. Nach Auskunft von Nachbarn war der Mann zwar Muslim, galt aber nicht als gläubig. Ein Bekennerschreiben gab es zunächst nicht. Französischen Medien zufolge war der Täter nicht als radikal bekannt. Bislang sei der geschiedene Mann nur wegen Gewalttaten in der Ehe und Diebstahls auffällig geworden. Am Abend sagte Ministerpräsident Manuel Valls jedoch dem Sender "France 2", der Mann habe mit Sicherheit "in der ein oder anderen Form Kontakt zum radikalen Islam gehabt". Auf Details ging er nicht ein.

Das Attentat löste weltweit Ensetzen aus. Aus vielen Dutzend Ländern kamen Solidaritätsbekundungen mit Frankreich. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte, über alle Grenzen hinweg im Engagement gegen "blinden Fanatismus" zusammenzustehen.

US-Präsident Barack Obama sagte: "Wir stehen in Solidarität und Partnerschaft an der Seite Frankreichs, unseres ältesten Alliierten." Russlands Präsident Wladimir Putin mahnte: "Wir können den Terrorismus nur mit vereinten Kräften besiegen." Die Teilnehmer des Asien-Europa-Gipfels (Asem) in der Mongolei gedachten der Opfer in einer Schweigeminute.

Anschlag nach dem Feuerwerk

Das Attentat hatte sich kurz vor 23 Uhr ereignet, als in Nizza gerade ein Feuerwerk zu Ende ging, wie dies zum 14. Juli in französischen Städten üblich ist. Der Täter überrollte mit dem Lkw - ein 19-Tonner, der angemietet war - mehrere Dutzend Menschen. Nach Augenzeugenberichten fuhr er Zick-Zack, um möglichst viele Passanten zu töten. Erst nach mehreren hundert Metern - angeblich sogar zwei Kilometer - konnte er gestoppt werden. Die Polizei tötete ihn mit mehreren gezielten Schüssen. Nach Angaben der lokalen Behörden hatte er zuvor auch selbst mit einer Pistole um sich geschossen. Seine Ex-Frau wurde am Freitag in Polizeigewahrsam genommen.

Terror-Anschlag in Nizza: Lkw rast in Menschenmenge
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Als der Terror nach Nizza kam

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Foto: afp

Staatstrauer dauert bis Montag

In Frankreich gilt bis Montag Staatstrauer. Premierminister Manuel Valls sagte: "Wir stehen einem Krieg gegenüber, den der Terrorismus gegen uns führt. Frankreich wird mit dem Terrorismus leben müssen, und wir müssen uns zusammenschließen." Hollande und Valls waren am Nachmittag zusammen in Nizza, um sich vor Ort zu informieren.

Die Bundespolizei verstärkte ihre Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich. Das Auswärtige Amt riet, den Anweisungen der französischen Sicherheitskräfte Folge zu leisten und sich zur Lageentwicklung über die Medien zu informieren.

"Ich bin vor allem wütend"

Frankreich war zuletzt wiederholt Ziel von Anschlägen. Bei islamistisch motivierten Attentaten waren im vergangenen Jahr 149 getötet worden, davon 130 bei der Pariser Terrorserie am 13. November. Im Januar 2015 starben 19 Menschen bei Angriffen auf die Satirezeitschrift "Charlie-Hebdo" und einen Supermarkt.

Vom Flughafen Düsseldorf ging am Mittag um 12.20 Uhr ein Direktflug nach Nizza. Die Ereignisse der Nacht stimmten die Reisenden nachdenklich. "Wir haben Angst, viele Bekannte haben uns heute schon kontaktiert und uns von der Reise abgeraten", sagt eine junge Frau, die mit zwei Freundinnen auf dem Weg in den Urlaub ist. Zehn Tage werden sie am Mittelmeer verbringen. Die Reise werde bestimmt nicht so unbeschwert wie erhofft, sagen sie. Holger Jäger hingegen reist ohne mulmiges Gefühl, doch der erneute Terror macht ihn fassungslos: "Ich bin vor allem unglaublich wütend, dass es wieder jemand geschafft hat, so viele Menschen umzubringen."

(dpa)
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