Tragödie in Südosteuropa Allein im Juli kamen 50.000 Flüchtlinge nach Griechenland

Warschau/Athen/Rom · Die Zahl der in Griechenland angekommenen Flüchtlinge hat im Juli einen neuen Rekordstand erreicht. Wie die EU-Grenzschutzagentur Frontex in Warschau mitteilte, kamen allein in diesem Monat mindestens 49.550 Migranten in Griechenland an - so viele wie im gesamten Vorjahr.

Auf dem Weg über das Mittelmeer nach Europa riskieren viele ihr Leben. Erst am Mittwoch hatte ein völlig überladenes Holzboot mit etwa 600 Menschen an Bord vor der libyschen Küste Schiffbruch erlitten. Zwei Tage nach der Tragödie suchten Retter dort am Freitag weiter nach Überlebenden. Und wieder wurden Hunderte Bootsflüchtlinge in dieser Region in Sicherheit gebracht.

Nach dem Schiffbruch vom Mittwoch hat die italienische Polizei fünf mutmaßliche Schleuser festgenommen. Die drei Libyer und zwei Algerier waren nach der Ankunft in Palermo von Überlebenden identifiziert worden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Zuletzt wurden nach Schätzungen immer noch etwa 200 der Passagiere des Flüchtlingsbootes vermisst. Trotz schwindender Hoffnungen wurde die Suche fortgesetzt. 373 Menschen wurden nach dem Kentern des Bootes gerettet und nach Sizilien gebracht. Zudem bargen die Helfer 25 Leichen aus dem Meer.

Tausende Tote, Vermisste, Gerettete

Am Freitag machten sich weiter Flüchtlinge auf den Weg über das Mittelmeer. Die Küstenwache rettete nach eigenen Angaben insgesamt 241 Menschen von zwei Schlauchbooten vor der Küste Libyens. Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) nahm nach eigenen Angaben 128 Bootsflüchtlinge, überwiegend aus Nigeria, an Bord. Am Donnerstag waren in mehreren Aktionen etwa 1200 Menschen gerettet worden.

Flüchtlings kommen auf dem Weg über das Mittelmeer jedoch nicht nur in Italien an. Wichtige Schleuserrouten nach Europa führen auch durch die Ägäis nach Griechenland. Dort ist die Lage nach den Worten des UN-Flüchtlingskommissars für Griechenland, Giorgos Tsarbopoulos, dramatisch. Die Behörden und die Hilfsorganisationen seien überfordert, sagte er im griechischen Rundfunk.

Insgesamt wurden laut Frontex bis Ende Juli fast 130.500 Migranten an den Außengrenzen Griechenlands entdeckt - fünfmal so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Registrierung der Flüchtlinge ist angesichts der hohen Zahl der Ankömmlinge und der zum Teil chaotischen Bedingungen vor Ort äußerst schwierig.

Der überwiegende Teil der Flüchtlinge kam nach Frontex-Angaben aus Syrien und Afghanistan, auch der Anteil pakistanischer Migranten sei deutlich gestiegen. Sie hätten auf kleinen Booten über die Türkei die griechischen Inseln Lesbos, Chios, Kos und Samos angesteuert. Frontex appellierte an die EU-Staaten, die Grenzschutzmission mit mehr Schiffen und Personal zu unterstützen.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte im Staatsfernsehen (ERT), die Flüchtlinge seien kein alleiniges Problem Griechenlands. Die EU müsse sofort handeln.

Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte, Griechenland habe bereits jetzt die Zusicherung, bis 2020 rund 260 Millionen Euro aus dem sogenannten Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) zu erhalten. Für die Auszahlung der ersten Tranche müsse das Land aber noch einige der vereinbarten Bedingungen erfüllen. Weitere 166 Millionen Euro für Griechenland sind nach Angaben aus Brüssel dem Fonds für die innere Sicherheit (ISF) eingeplant. Die ISF-Gelder sind dafür vorgesehen, den Grenzschutz der Mitgliedstaaten zu stärken.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) machte indes Paris und London für die Flüchtlingskrise am Kanaltunnel mitverantwortlich. Frankreich und Großbritannien hätten größere Aufnahmekapazitäten abgelehnt, ohne andere Lösungen vorzuschlagen, sagte UNHCR-Europadirektor Vincent Cochetel am Freitag in Genf. Mit lediglich 3000 Migranten sei die Situation in Calais lösbar. Stärkere Sicherheitsmaßnahmen hält das UN-Flüchtlingshilfswerk für ungeeignet zur Bewältigung der Krise. "Zäune lösen das Problem nicht", sagte Cochetel. "Sie fordern die Menschen nur heraus, größere Risiken auf sich zu nehmen."

(dpa)
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