31. Weltjugendtag Feiern, beten, gedenken

Krakau · Knapp 16.000 Jugendliche aus Deutschland sind zum 31. Weltjugendtag nach Krakau gereist. Für viele ist das eine Gelegenheit, ohne Scheu über ihren Glauben und ihre Zweifel zu sprechen. Zur gleichen Zeit zeigt Papst Franziskus nur 60 Kilometer entfernt ein anderes Bild.

 Feiernde Menschen in Krakow.

Feiernde Menschen in Krakow.

Foto: afp

Sie haben Besitz ergriffen von der Stadt. Auf Krakaus zentralem Marktplatz sind Jugendliche auf ein ehrwürdiges Dichterdenkmal geklettert. Sie schwenken Fahnen, skandieren die Namen ihrer Heimatländer: Mexiko, Mexiko, Polska, Polska. Die anderen klatschen, johlen. Dann zieht ein Trupp mit Gitarre durch das Gedränge, stimmt ein Lied an, plötzlich singt die Menge. Glänzende Gesichter im Laternenlicht, ein Junge rückt näher an ein Mädchen mit Lockenmähne, streichelt ihr über den Arm. Etwas abseits schauen zwei ältere Damen auf das Treiben in ihrer Stadt. Sie finden es großartig, dass die jungen Leute so ausgelassen feiern. "Drüben in der Kirche sitzen auch noch viele und beten andächtig", sagt eine der Damen. "Das gehört hier alles zusammen. Ich finde es umwerfend, es macht mir Hoffnung."

Die Welt zu Gast in Polen. Zum 31. katholischen Weltjugendtag (WJT) werden sich bis morgen knapp 1,5 Millionen Pilger in Krakau versammelt haben. Weniger als erwartet, wohl wegen der Terrorangst, doch die Jugendlichen beherrschen das Stadtbild. Mit ihren bunten Rucksäcken, Fahnen, Emblemen wogen sie durch die Straßen der Altstadt, kampieren am Ufer der Weichsel, stehen in den Vororten im Riesenpulk an den Bushaltestellen. Wer Gruppen passiert, muss abklatschen. Man sieht schwitzende Priester beim Pizzaessen mit Jugendlichen am Imbissstand, junge Nonnen mit Tracking-Sandalen, Rosenkranz am Gürtel, eingehakt bei Jugendlichen, die aufgeregt schwadronieren. Lauter Bilder der Unbeschwertheit, der schlichten Freude am Dasein.

Zur gleichen Zeit zeigt Papst Franziskus nur 60 Kilometer entfernt ein anderes Bild. Allein geht er am früheren Konzentrationslager von Auschwitz durch das Eingangstor mit dem schmiedeeisernen Satz "Arbeit macht frei". An der sogenannten Todesmauer spricht er ein stilles Gebet. Schweigend betet er auch in den Zellen von Pater Maximilian Kolbe, der für einen Familienvater in den Tod ging, und der aus dem Judentum konvertierten Nonne und Philosophin Edith Stein, die ebenfalls in Auschwitz ermordet wurde. Anders als seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI., die beide in der Gedenkstätte eine Rede hielten, kommentiert Franziskus nichts. Durch sein schlichtes Dasein erinnert er an schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ehrt die Opfer, setzt ein Zeichen gegen die Leichtfertigkeit und hinterlässt einen Satz im Gästebuch des Lagergefängnisses: "Herr, hab Erbarmen mit Deinem Volk! Herr, vergib so viel Grausamkeit!"

 Düsseldorf zu Gast beim Weltjugendtag: Christina Born (17), Patrick Brandenburg (25) und Laura Hoppe (22).

Düsseldorf zu Gast beim Weltjugendtag: Christina Born (17), Patrick Brandenburg (25) und Laura Hoppe (22).

Foto: Krings

"Ich finde es gut, dass der Papst auch an das Schreckliche erinnert, das Leid gehört dazu", sagt Christina Born (17), die mit einer Gruppe aus Düsseldorf nach Krakau gekommen ist. "Jesus war auch nah an den Schwachen und denen, die gelitten haben", ergänzt Patrick Brandenburg (25), "darauf weist der Papst ja immer wieder hin." Bei der Begrüßung auf einem Feld nahe Krakau haben die jungen Pilger den Papst aus relativer Nähe gesehen. Sie fanden das aufregend, aber gekommen sind sie deswegen nicht. Es geht ihnen um neue Kontakte zu jungen Christen, um das Miteinander, um die Ausgelassenheit am Abend - und die Glaubensgespräche über Tag.

Die finden in einer Kirche statt, unanimiert, eigentlich uncool - doch ein paar Hundert Jugendliche sind vier Stunden vollkommen konzentriert. An diesem Morgen spricht der Kölner Weihbischof Ansgar Puff über das Leitmotiv des Weltjugendtags: die Barmherzigkeit. In einer feinen Auslegung der Samariter-Geschichte erklärt er den Jugendlichen, dass sie aus der frohen Botschaft nicht nur Ansprüche ableiten müssten. Sie müssten nicht allesamt Samariter werden, sondern dürften sich auch selbst als verletzte, hilfsbedürftige Menschen verstehen - und in einer lebendigen Beziehung zu Gott Trost und Stärkung suchen. Viele Jugendliche schreiben mit. Später dürfen sie dem Wehbischof Fragen stellen, dann feiern sie Gottesdienst, es gibt Mittagessen: Kohl und Hühnchen. Dann geht es in die Stadt. Am Abend ist Kreuzweg mit dem Papst.

Etwa 16.000 Jugendliche sind aus Deutschland angereist. Die meisten sind aktive Christen, in katholischen Familien aufgewachsen. Junge Leute wie Yannik Nelles (21), Fremdsprachenassistent aus Trier, der gerade eine Ausbildung zum Lokführer beginnt. "Wenn man Englisch, Französisch, Spanisch kann, ist es natürlich leicht, viele Leute kennenzulernen", sagt er und zeigt die bunten Bänder an seinem Arm, Pilgertücher, die er mit anderen getauscht hat. Aber ihm geht es auch um die Vertiefung seines Glaubens, um spirituelle Erlebnisse. "Daheim bin ich im Pfarrgemeinderat und möchte Jugendgottesdienste organisieren", sagt Yannik - und weiß nach Krakau auch, was er anders machen will: "Andere Musik, andere Texte, dann hat Kirche auch Leuten in meinem Alter viel zu sagen."

 Papst Franziskus besuchte im KZ Auschwitz auch die Hungerzelle des Franziskaner-Mönchs Maximilian Kolbe. Der polnische Ordensmann hatte sich freiwillig für einen Mithäftling geopfert und ging für diesen in den Tod.

Papst Franziskus besuchte im KZ Auschwitz auch die Hungerzelle des Franziskaner-Mönchs Maximilian Kolbe. Der polnische Ordensmann hatte sich freiwillig für einen Mithäftling geopfert und ging für diesen in den Tod.

Foto: AP

Sich einmal nicht als Exot fühlen als junger Katholik, auch das ist ein Motiv für viele WJT-Besucher aus Deutschland. "Jeder muss selbst entscheiden, ob er mit Gott geht", sagt Laura Hoppe (22) "aber man muss auch mal sagen: Wer es nicht tut, verpasst etwas."

Krakau ist in diesen Tagen ein Ort der Zuversicht - ist die Erinnerung an die Verführbarkeit des Menschen zur Barbarei auch ganz nah. Die Jugend in Krakau hat das Schweigen des Papstes in Auschwitz verstanden. Er hatte ja schon Worte für sie gefunden: "Junge Leute haben die Kraft, jenen zu widerstehen, die sagen, es könne sich nichts ändern."

(dok)
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