Düsseldorf Auftrags-Flirter

Düsseldorf · Immer mehr Paare lernen sich im Internet kennen. Doch die Suche nach der großen Liebe ist zäh. Die ersten Schritte des Kennenlernens kann man jetzt auch auslagern an eine Agentur.

Franziska S. holt ihr Jüngstes aus der Kita ab. Dann geht sie nach Hause, setzt sich an den Schreibtisch und flirtet mit fremden Männern im Internet. Ihr Ehemann weiß davon. Und er findet es interessant. Was nach einer liberalen Beziehung klingt, ist in Wirklichkeit ein Nebenjob. Die Hamburgerin ist Flirt-Double im Internet. Denn vielen Singles fehle es an Zeit und Muße, sich stundenlang durchs Netz zu klicken, Nachrichten zu schreiben und auf Antworten zu warten, wissen Datingexperten. Und auch das Anlegen des eigenen Profils will gelernt sein. Das alles können Singles jetzt an einen externen Dienstleister auslagern - Outsourcing heißt das bei Ökonomen. "Mittlerweile bin ich eine echte Flirtexpertin", erzählt die 35-Jährige. Vor allem für ihre männlichen Kunden sei das ein Vorteil. "Schließlich weiß ich als Frau, was bei Frauen gut ankommt."

Mehr als 30 Prozent der Deutschen lernen ihren Partner heute online kennen - gezielt, gesteuert und bewusst. Das Geschäft mit den einsamen Herzen ist ein gutes. Seit 2002 hat sich der Branchenumsatz in Deutschland mehr als verachtfacht, wie eine Langzeitstudie des Internetportals "Singlebörsen-Vergleich" ergab. Virtuelle Partnervermittlungen konnten 2014 so einen Gesamtumsatz von 191,6 Millionen Euro erwirtschaften. Denn wer geliebt werden möchte, muss investieren: Zeit, Geld und auch Hoffnung.

"Onlinedating ist zwar schneller und leichter", sagt Geschäftsmann Andreas Laufer, "aber die Suche nach der Liebe im Internet hat auch Tücken." Genau da setzt seine Agentur an: "Suredate" vermittelt Ghostwriter wie Franziska S. fürs Onlinedating - ein Flirt-Double. Die ersten Annäherungsversuche im Netz startet ein Fremder, als Helfer der Suchenden. Der Effizienz-Gedanke bestimmt mittlerweile das Privatleben, sogar in Liebesdingen.

Virtuelle Partnervermittlungen und Singlebörsen suggerieren, das passende Gegenstück per Liebes-Algorithmus berechnen zu können. Viele Plattformen nutzen dafür das Fünf-Faktoren-Modell aus der Persönlichkeitspsychologie: Sie fragen ab, wie aktiv, fantasievoll, großzügig, verletzlich oder pflichtbewusst jemand ist, um für ihn einen Charakter zu finden, der ähnlich tickt.

Die Suche nach dem richtigen Partner kostet Zeit und Geld. Zwar werben Plattformen wie "Friendscout24" und "Neu.de" mit einer kostenlosen Anmeldung, aber wer Kontakt zu anderen Singles aufnehmen möchte, muss zahlen: Drei Monate Mitgliedschaft fangen dort bei knapp 60 Euro an. Das musste auch die Meerbuscherin Ines H. feststellen: "Die Geschäftsbedingungen wurden ohne Vorwarnung von einem Tag auf den anderen geändert", erzählt sie. Daraufhin wechselte sie zum kostenlosen Anbieter "Finya". Die 52-jährige Brandenburgerin ist attraktiv, selbstbewusst und Single. In Düsseldorf sei es schwierig, neue Bekanntschaften zu knüpfen. Onlinedating sei eine gute Möglichkeit, Anschluss zu finden.

Eine, die das anders sieht, ist Flirtcoach und Autorin Nina Deißler. "Man hat keine Dates mehr, man hat ein Vorstellungsgespräch", mokiert sich die Autorin. Auf der führenden Social-Dating-Plattform "Tinder" werden Kandidaten "weggewischt". "Das ist ja wie Schuhe shoppen", kritisiert Deißler, die in ihrem neuen Buch "Beziehungsstatus: Kompliziert" erklärt, warum die Suche nach der großen Liebe im Internet unglücklich und ja, langfristig sogar "beziehungsunfähig" mache. "Der Schuh muss passen und gut aussehen, aber das löst doch keine Gefühle aus."

Beziehungsexpertin Nina Deißler coacht seit 15 Jahren Singles. Beim Onlinedating würden nur die wenigsten einen Partner finden, sagt die Autorin, deren Geschäftsfeld aber auch ein anderes ist: Sie will Singles näher bringen, wie es sich erfolgreich in der wahren Welt flirten lässt. "Ich höre immer wieder, dass Onlinedating mehr Frust als Lust ist." Vor allem Frauen würden den Plattformen den Rücken kehren, denn dort tummelten sich auch Männer, die nur das schnelle Abenteuer suchen und das auch unverblümt kommunizieren. "90 Prozent der Männer dort wollen nur Sex", sagt auch die Meerbuscherin Ines H. "Freundschaft Plus" heißt das dann. Oder: "Einen schönen Abend miteinander verbringen."

Dass die Frustrationsrate hoch ist, weiß auch Agenturchef Laufer. "Wir hatten mal eine Kundin, für die haben wir 100 Anfragen verschickt, aber nur zwei Antworten bekommen." Um Kunden die Zurückweisung zu ersparen, schaltet sich die Ghostwriting-Agentur dazwischen. Das kostet natürlich extra. Für 990 Euro ist das Gesamtpaket zu haben: Kontakt herstellen, bezirzen, verabreden. "Verlieben müssen sich die Singles dann allein", sagt Agenturchef Laufer und lacht. Aber die Dienstleistung ist gefragt: Im Netz stünden auch viele Profile, hinter denen Betrüger stecken. Die gelte es aufzuspüren und auszusortieren, und das kann die Agentur leisten. Und auch auf die richtige Plattform komme es an - Singles haben die Wahl zwischen mindestens 30 Portalen, darunter Seitensprungportale. Diese Vielfalt müsse man kennen, warnt Agenturchef Laufer.

Aber es seien auch die Anforderungen an den Partner nach Maß, die den Singles im Weg stünden, erzählen Flirtexperten. "Gerade die älteren Kunden haben zu viele konkrete Vorstellungen vom Wunschpartner", weiß Andreas Laufer. "Wir suchen keinen Partner mehr, wir suchen einen Traumpartner", betätigt Flirttrainerin Nina Deißler. Dabei sei das Problem ein ganz anderes. "Wir müssen mehr Dinge tun, die Spaß bringen und glücklich machen." Die meisten ihrer Kunden wüssten auf die Frage, was sie leidenschaftlich gerne tun, keine Antwort - "das ist doch traurig!" Das Erfolgsrezept des Experten Laufer lautet: so frech wie möglich, aber bitte nicht plump. "Männer denken, so forsch könnten sie sich nicht geben, aber genau das kommt im Netz gut an." Der Kontakt mit den Ghostwritern sollte aber höchstens zwei Tage dauern. Schließlich soll sich niemand in einen Geist verlieben.

Ghostwriterin Franziska S. hat sogar für einen Kunden zufällig mit einer alten Schulfreundin online geflirtet. "Das war komisch", sagt sie. Zu einem Date zwischen den beiden sei es nicht gekommen. Ein schlechtes Gewissen hat sie nicht. "Ich tue damit ja etwas Gutes", betont die 35-Jährige. Sie wird auf Erfolgsbasis, pro Treffen und ergatterter Telefonnummer bezahlt. Ihren Mann hat sie übrigens ganz klassisch kennengelernt - über Nachbarn.

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