Langenfeld/Köln Als erste Deutsche ins Weltall

Langenfeld/Köln · Die Doktorandin Johanna Wessing möchte in den Weltraum fliegen. Möglich ist das durchaus. Ein privates Unternehmen will einer Frau die Reise zur ISS ermöglichen - und die 29-Jährige ist unter den letzten 86 Bewerberinnen.

 Für die Auswahl ist Johanna Wessing in Hamburg. Danach fliegt sie nach Japan, wo sie für drei Monate an einem Forschungsprojekt arbeitet.

Für die Auswahl ist Johanna Wessing in Hamburg. Danach fliegt sie nach Japan, wo sie für drei Monate an einem Forschungsprojekt arbeitet.

Foto: Anne Orthen (ort)

Johanna Wessing war elf Jahre alt, als sie feststellte, dass die Raumfahrt ungerecht sein kann. Bruce Willis und Ben Affleck waren gerade in einer Rakete ins Weltall geschossen worden, um einen Meteoriten zu zerstören und die Erde vor der Vernichtung zu retten - während Liv Tyler vom Boden aus bloß zusehen konnte. Zugegeben: "Armageddon", der 1998 in die Kinos kam, war bloß ein Spielfilm und in Hollywoodmanier sehr unrealistisch noch dazu. Doch der inzwischen 29-jährigen gebürtigen Langenfelderin ist er im Gedächtnis geblieben und vor allem der Eindruck, den er erweckte: Raumfahrt ist Männersache. Heute möchte Wessing selbst dazu beitragen, dies - zumindest ein bisschen - zu relativieren. Als eine von mehr als 400 Bewerberinnen will sie als erste deutsche Astronautin ins Weltall fliegen.

Von den fast 450 Raumfahrern, die seit 1961 an Flügen ins Weltall teilgenommen haben, waren weniger als 40 Frauen. Russland schickte 1963 die erste, Valentina Tereschenkowa, in den Orbit. 20 Jahre später folgte die US-Amerikanerin Sally Ride, 1996 Claudie Haigneré aus Frankreich. Auch in der TV-Serie "Star Trek: Raumschiff Voyager" kommandierte ab 1995 Kate Mulgrew alias Captain Janeway. Heute bestehen die Hälfte der Astronautenteams der USA und China aus Frauen. Alle elf deutschen Raumfahrer waren dagegen Männer.

Nach dem Kinobesuch vor 18 Jahren war der Traum vom All für Wessing wieder in weite Ferne gerückt. "Die Möglichkeit, Astronautin zu werden, erschien unerreichbar", sagt sie. Doch thematisch blieb sie dran: In Köln studierte Wessing Geowissenschaften, sie arbeitet seit 2014 im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an ihrer Doktorarbeit zum Thema Materialphysik im Weltraum und dafür an einem Experiment, das der deutsche Astronaut Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation ISS installiert hat. Es geht um Elektromagnetische Levitation, sehr kurz gesagt: das Verhalten von Metallen in der Schwerelosigkeit.

Nun plant HE Space, ein Personaldienstleister in der Weltraum-Branche, eine deutsche Frau zur Astronautin ausbilden zu lassen. Voraussichtlich Mitte 2019 soll sie zur ISS fliegen und rund zehn Tage in der Schwerelosigkeit verbringen. Über 400 Interessentinnen hatten sich beworben, 86 von ihnen sind im Auswahlverfahren weiter gekommen, darunter auch die in Köln lebende Doktorandin. Sie kann ihr Glück kaum fassen: "Das ist unbeschreiblich", sagt sie. "Bei der Bewerbung dachte ich einfach nur, ich bin mal mutig."

Claudia Kessler ist diejenige, die das alles ins Rollen brachte. Die 51-Jährige wollte schon als Kind Astronautin werden. "Aber ich war immer entweder zu jung oder zu alt für die Auswahl", sagt die Geschäftsführerin von HE Space, die in Bremen lebt. Für ihr Projekt bringt Kessler viel Enthusiasmus mit. "Es ist Zeit, dass eine deutsche Astronautin zur ISS fliegt", sagt sie. Dies solle anderen Frauen Mut machen, sich mehr zu trauen. Monatelang hat sie die Profile von Kampfpilotinnen, Ingenieurinnen oder Medizinerinnen gesichtet. 2017 sollen zwei Finalistinnen feststehen. Beide werden ausgebildet, eine darf zur ISS.

Die eine oder andere unbekannte Komponente ist allerdings noch vorhanden. So ist etwa unklar, wo die Frauen ausgebildet werden. Es würden Verhandlungen mit der russischen Weltraumorganisation Roskosmos und mit SpaceX in den USA geführt. In den Himmel geschickt würde die Astronautin dann entweder aus der kasachischen Wüste oder von Florida aus. Die Kosten sind hoch: Allein der Flug zur ISS liege bei 30 bis 50 Millionen, schätzt Kessler. Woher das Geld kommt, steht noch nicht fest. "Es ist zu früh, um an Sponsoren heranzutreten", sagt die 51-Jährige. "Wir sind dabei, Kontakte zu knüpfen." Die medizinischen und psychologischen Tests übernimmt das DLR.

Befürchtungen, auf der ISS etwa Beklemmung empfinden zu können, hat Wessing nicht. "Von Tauchgängen in extremen Strömungen und mit großen Haien weiß ich, dass ich meine Panik ganz gut kontrollieren kann", sagt sie. Und auch Angst vor den Weiten des Weltraums verspürt sie nicht: "Dafür ist die Vorfreude viel zu groß."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort