Düsseldorf Zuständigkeitschaos in der Silvesternacht

Düsseldorf · Es ist offenbar unklar, wer für die Sicherheit auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz zuständig war.

Peter Biesenbach (CDU) ist ein erfahrener Politiker, den so leicht nichts aus der Ruhe bringen kann. Doch gestern stand ihm zeitweise - wie er eingestand - "der Mund offen". Der Jurist ist Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA), der sich mit den Massenübergriffen von Ausländern gegen Frauen im Kölner Hauptbahnhof befasst. Der damalige Einsatzleiter Bund, Detlef Maschetzky, sagte dem PUA, nicht nur der Bahnhof, sondern auch der Vorplatz falle in die Zuständigkeit der Bundespolizei. Demgegenüber hatte kurz zuvor der Einsatzleiter Land, Günter Reintges, dem PUA dargelegt, dass der Platz vor dem Bahnhof Sache der Landespolizei sei. Das Zuständigkeitswirrwar schien komplett, und nicht nur PUA-Vorsitzender Biesenbach zeigte sich nahezu fassungslos.

Die Polizei konnte in der Silvesternacht nicht verhindern, dass Frauen bedrängt, bestohlen und sexuell misshandelt wurden. Bis heute sind 1139 Anzeigen eingegangen, davon fast ein Drittel wegen Sexualdelikten. Wie konnte es zu den Übergriffen kommen? Reintges habe eine "eigene Sicht der Dinge", raunten gestern einige Abgeordnete im PUA. So sprach er davon, dass sich gegen 22 Uhr viele angetrunkene "Männer aus dem arabischen Raum" auf dem Vorplatz aufgehalten hätten. Sie hätten "einen Riesenspaß" an Böllern und Krachern gehabt: "Die waren gut drauf." Doch als sich die Gruppen bald darauf gegenseitig mit Raketen beschossen, habe die Situation zu eskalieren gedroht. Er habe Angst gehabt, dass es zu einer Massenpanik mit Toten kommen könnte, so Reintges. Bundes- und Landespolizei räumten daraufhin Domplatte und Vorplatz, doch der Platz musste wieder freigegeben werden, weil mittlerweile der Bahnhof mit Menschen "zuglaufen" sei, berichtete Reintges. Die Ausschreitungen gegen Frauen im Bahnhof seien gewissermaßen unter den Augen der Polizei passiert, doch "wir haben das nicht wahrgenommen". Seine Mitarbeiter, so formulierte der Polizeihauptkommissar, seien "meine Augen". Der Abgeordneten Marc Lürbke (FDP) hakte nach: "Haben die Ihnen denn nichts berichtet?" Reintges verneint: "Die Kollegen haben die Dinge nicht gemeldet." Man sei davon ausgegangen, "dass wir die Lage im Griff haben", sagte Reintges und stellte klar: "Ich habe keine Verstärkungskräfte angefordert." Erst später habe er erfahren, welche perverse Dinge dort geschehen seien. So sei beispielsweise einer jungen Frau der Mund zugehalten worden, während sie "begrapscht" worden sei.

Einsatzleiter Maschetzky befand sich kurz nach Mitternacht an der Hohenzollernbrücke, weil auch dort eine Panik unter eingequetschten Menschen drohte. Er habe sich an die Loveparade erinnert gefühlt, als ihm ein verzweifelter Vater seinen fünfjährigen Jungen entgegenhielt, berichtete der Polizeibeamte.

(hüw)
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