Streit um Hartz-IV-Kürzung in Dortmund "Wir haben keine Detektive, die Bettler auf der Kö kontrollieren"

Düsseldorf · Das Jobcenter Dortmund hat einem Mann die Hartz-IV-Bezüge gekürzt, weil er in der Innenstadt bettelt. Ein Einzelfall? Oder haben Flaschensammler und Bettler grundsätzlich eine Leistungskürzung zu befürchten?

 Ein Bettler kniet während eines kurzen Schneeschauers auf einer Straße mit Geschäften (Symbolbild).

Ein Bettler kniet während eines kurzen Schneeschauers auf einer Straße mit Geschäften (Symbolbild).

Foto: dpa, mbk pil bak tba

Michael Hansen und seine Ehefrau Christa aus Dortmund beziehen beide Hartz IV. Weil das Geld trotzdem oft nicht reicht, beschloss Michael Hansen, an mehreren Tagen im Monat zu betteln. Als ihn eine Mitarbeiterin des Jobcenters dabei sah, kürzte die Behörde dem 50-Jährigen die Bezüge.

Das Ehepaar schaltete eine Anwältin ein. Dadurch wurde zwar die Kürzung der Bezüge reduziert, stattdessen soll Hansen jedoch künftig über das Geld Buch führen, das in seinem Pappbecher landet. Zudem soll er bei der Gewerbestelle Dortmund überprüfen lassen, ob er mit dem Betteln einer meldepflichtigen Tätigkeit nachgeht.

Das Jobcenter Dortmund sieht sich bei seiner Entscheidung im Recht. Doch ist das Geld, das ein Bettler erhält, überhaupt schon als Einkunft zu qualifizieren? Eine Sprecherin des Sozialgerichts Dortmund erklärt dazu: "Geld, das Menschen durch Betteln, Flaschensammeln oder Zeitungsverkaufen einnehmen, wird in der Regel als Einkunft angesehen." Ob dieses Geld jedoch angerechnet wird auf Leistungen wie Hartz IV, sei bei jedem Einzelfall eine Frage der Verhältnismäßigkeit. "Und diese Beurteilung, ob eine Kürzung angemessen ist, obliegt dem jeweiligen Jobcenter", sagt die Sprecherin.

Der Gründer und leitende Redakteur des Düsseldorfer Straßenmagazins "fiftyfifty", Hubert Ostendorf, reagiert auf das Verhalten des Dortmunder Jobcenters mit Empörung: "Das Verhalten des Jobcenters ist realitätsfremd. Haben die Beschäftigten dort eigentlich nichts Besseres zu tun, als die Einnahmen von Obdachlosen zu überprüfen?", fragt er. Dass Betteln als (Klein-)Gewerbe angemeldet werden müsse, bezeichnet er als abstrus.

Ist die Praxis des Dortmunder Jobcenters nur ein Einzelfall? "Uns sind keine vergleichbaren Fälle bekannt", sagt Jürgen Hennigfeld, Sprecher des Jobcenters in Düsseldorf. "Wir haben auch keine Detektive, die die Töpfe auf der Kö kontrollieren." Eine Leistungskürzung käme bei Einnahmen von Bettlern oder Flaschensammlern für seine Behörde nicht infrage.

"Grundsätzlich müssen Leistungsbezieher Einkünfte natürlich bei uns angeben. Es stünde allerdings in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, den eine Überprüfung der Einnahmen von Bettlern oder Flaschensammlern verursachen würde", sagte der Sprecher weiter.

Hinzu käme, dass es bei Leistungsbeziehern von Hartz IV ohnehin einen Freibetrag von 100 Euro gibt. "Alles, was ein Leistungsbezieher bis dahin verdient, kann er behalten", sagte Hennigfeld. "Erst darüber hinaus können Einnahmen angerechnet werden."

(ate)
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