Brüggen Vier Todesfälle nach Krebstherapie

Brüggen · Ob die Patienten an den verabreichten Mitteln in dem alternativen Heilzentrum in Brüggen starben, ist unklar. Aber die Fälle häufen sich.

An der Tür des Klaus-Ross-Zentrums für alternative Krebstherapie in Brüggen-Bracht hängt ein Zettel. "Aufgrund unvorhergesehener Umstände ist die Praxis bis auf Weiteres geschlossen", steht dort auf Englisch. Alle Schilder sind abmontiert, nur noch Bohrlöcher zu sehen. Vor einer Woche waren innerhalb von drei Tagen zwei Frauen und ein Mann gestorben, die zuvor in der Praxis behandelt worden waren. Ob die Todesfälle in Zusammenhang mit den dort verabreichten Medikamenten stehen, ist noch genauso unklar wie die Todesursache selbst. Das Obduktionsergebnis der ersten Toten steht bisher aus. Die Staatsanwaltschaft Krefeld ermittelt wegen fahrlässiger Tötung in einem Fall. Die Polizei Mönchengladbach hat eine Warnmeldung veröffentlicht, in der sie von einem konkreten Gesundheitsrisiko für Patienten spricht, "die sich in diesem Krebszentrum einer Behandlung unterzogen haben". Der Kreis Viersen untersagt dem Heilpraktiker bis auf Weiteres, im Gebiet tätig zu sein.

Ärzte aus einem Mönchengladbacher Krankenhaus hatten vor einer Woche die Polizei eingeschaltet, nachdem eine 43-jährige Frau aus den Niederlanden aus unklarer Ursache bei ihnen gestorben war. Die Frau war vorher in der Praxis in Brüggen-Bracht behandelt worden. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits Todesermittlungsverfahren in den Niederlanden. Dabei handelt es sich nach Polizeiangaben um eine 55-jährige Frau aus Belgien sowie einen ebenfalls 55-jährigen Mann aus den Niederlanden. Daraufhin durchsuchte die Staatsanwaltschaft Krefeld die Praxisräume des Heilpraktikers und stellte Patientenakten sowie Medikamente sicher. Zwei weitere niederländische Patientinnen wurden stationär im Krankenhaus aufgenommen. Mittlerweile berichten niederländische Medien von einem weiteren Todesfall nach einer Behandlung in Bracht.

So schreibt das "Algemeen Dagblad" über eine 31-Jährige aus Rotterdam, die ihren Lymphknotenkrebs in Bracht behandeln ließ. Sie starb am 22. Juli. Ihre Mutter erzählt in dem Bericht auch von den Abläufen in der Praxis: Mitunter sei es in der Klinik sehr voll gewesen, wenn zehn Patienten gleichzeitig in Behandlung waren. Heilpraktiker Ross sei stets allein gewesen, hätte keine Hilfe gehabt. In den meisten Fällen habe es sich bei den Patienten um Menschen gehandelt, die als austherapiert galten - doch "Klaus" habe für eine gemütliche, positive Atmosphäre gesorgt, so die Mutter.

Jeder Patient habe ein Kästchen gehabt, in dem die für den Tag notwendigen Infusionsmittel aufbewahrt worden seien - mancher Patient habe gut sechs, sieben Stunden lang allerlei Infusionen bekommen: Vitamin C, Kurkuma, Glukoseblocker. Alles habe professionell gewirkt. Mitunter, so erzählt die Mutter dem "Algemeen Dagblad", habe man gemerkt, dass Ross einen Mangel an Erfahrung hatte, er sei ein Suchender gewesen. Die Erkrankung der Tochter habe er so noch nicht behandelt, da sei er ehrlich gewesen. "Er tat sich nicht als Wunderdoktor hervor, hat uns auch keine Genesung versprochen."

Heilpraktiker Klaus Ross hat laut Angaben auf seiner Internetseite biomedizinische Technik in Gießen studiert, dann 20 Jahre als Produktmanager für medizinische Geräte gearbeitet und eine Ausbildung zum alternativen Behandler gemacht. Sein Zentrum, das er seit 2014 betreibt, wirbt unter anderem mit biologischer Krebsbehandlung, Schmerztherapie und Entgiftung. Eine zehnwöchige Therapie für Krebspatienten kostet demnach knapp 10.000 Euro. Die Einrichtung richtet sich vor allem an niederländische Patienten, die nach Bracht kommen, weil die Gesetze für alternative Heilmethoden in Deutschland nicht so streng sind wie in den Niederlanden.

Auf der Homepage des Zentrums heißt es: "Krebs behandeln. Effektiv und hundert Prozent biologisch!" Alle betroffenen Patienten wurden zudem wohl mit dem Mittel 3-Bromopyruvat (3BP) behandelt, das für die Therapie an Menschen nicht ausreichend getestet ist. Das Gesundheitsamt Viersen warnt inzwischen vor dem Mittel 3BP und bittet alle Patienten, die damit behandelt worden sind, sich zu melden. Auch die Polizei Mönchengladbach hatte Zeugen dazu aufgerufen. Bis gestern hatte sich jedoch niemand gemeldet, so ein Sprecher.

Neben der Zeugenbefragung müssen nun auch Patientenkarteien ausgewertet werden. "Wir ermitteln, ob es weitere Todesfälle aufgrund des verabreichten Präparats gibt", erklärte der Sprecher. Dies sei nicht leicht, weil alle Patienten ein Krebsleiden hatten und deshalb auch in Folge der Krankheit verstorben sein könnten.

Das Klaus-Ross-Zentrum wollte gestern keine Stellung beziehen. Zu dem zuerst bekanntgewordenen Fall hieß es am Mittwoch, die Einrichtung bedauere den Tod der Patientin, aber auch den "unbegründeten Verdacht", dass die Klinik dafür verantwortlich sein könne. Man werde voll und ganz bei den Ermittlungen kooperieren. Laut Polizei haben die Behörden Kontakt zum Rechtsbeistand des Betreibers.

(RP)
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