Nizza Trotzige Zuversicht am Tag danach

Nizza · "Mörder, Mörder, Mörder!", schreien zwei Frauen, als schwarze, von der Polizei eskortierte Autos an ihnen vorbeifahren. Links neben ihnen liegt ein Meer aus Blumen, Kuscheltieren und kleinen Briefen, die an die Opfer des Attentats erinnern. Die Wut der Frauen richtet sich gegen Regierungsmitglieder, die wohl in den Autos saßen. Ihnen geben sie die Schuld an dem Massaker: "Nur wegen Hollande wüten die Terroristen hier", sagen sie.

Generell ist die Stimmung in Nizza gedrückt. Die sonst so quirlige Stadt ist ruhig. Nur nahe der Stelle, an der der Lkw gestoppt wurde, haben sich viele Menschen versammelt. Von Weitem ist das große weiße Fahrzeug zu sehen. Kennt man die Bilder der Nacht, kann man aus der Ferne auch die Einschusslöcher erkennen. Einheimische sind gekommen, auch Touristen. Das Gelände rund um die Promenade ist weiträumig abgesperrt. Polizisten bewachen die Gitter. Der Strand, sonst voll mit Urlaubern, ist wie leergefegt. Ein einziger Mann schwimmt im Meer.

Im Café Balthazar, das an der Promenade nur wenige Meter entfernt vom Ort des Schreckens liegt, ist genau diese Stimmung zu spüren. Eigentlich hat das Café geschlossen, die Stühle drinnen stehen auf den Tischen. Trotzdem sind einige Kellner gekommen; Gäste haben sich auf der Terrasse zusammengefunden, um zu trauern. Gegessen oder getrunken wird hier nicht. Einige Menschen liegen sich in den Armen. Auch vor dem Café wurde eine Gedenkstätte mit Blumen eingerichtet. Darüber weht eine Frankreich-Flagge. Die Marseillaise wird gespielt.

"Es war einfach nur verrückt", erzählt Agustin Casini, der als Kellner im Balthazar arbeitet und auch während des Attentats zur Schicht eingeteilt war. "Die Leute sind gerannt wie die Verrückten. Manche von ihnen haben bei uns Schutz gesucht. Sind regelrecht bei uns eingefallen", sagt der 29-Jährige. Es habe Panik geherrscht, auch er habe große Angst gehabt.

Beim Gang durch die engen Gassen ist die gedrückte Stimmung trotz strahlend blauen Himmels zu spüren. Einige Menschen tragen in Plastikfolie eingepackte Blumen mit sich, um sie an den Gedenkorten niederzulegen. Auch die Souvenirläden sind leer. Doch Ahmed Abdelfattah, der einen solchen Laden führt, ist zuversichtlich: "Ich denke nicht, dass sich etwas ändern wird. Anschläge können überall passieren. Die Menschen werden trotzdem noch nach Nizza kommen."

Ähnlich optimistisch ist Sophie Douchet: "Was geschehen ist, ist schrecklich, aber es wird die Menschen und ihr Verhalten nicht verändern. Wir lassen uns davon nicht einschüchtern." Noch sitze der Schock aber tief, die Menschen in der Stadt seien ganz anders als sonst. "Alle sind viel hilfsbereiter", sagt Douchet. Und jeder frage, ob man eines der Opfer kenne. Zum Glück könne sie das verneinen.

(sno)
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