Tote Schafe Wolfsbesuch am Niederrhein?

Hamminkeln · Ein Schäfer in Hamminkeln hat einen Wolf in Verdacht, mehrere Tiere seiner Schafherde verletzt und getötet zu haben. Gesichtet wurde der Räuber nicht. Wolfexperten sind eher skeptisch.

 Joachim Koop büßte mehrere Tiere seiner Schafherde ein.

Joachim Koop büßte mehrere Tiere seiner Schafherde ein.

Foto: dpa, kost

Bisher gilt Nordrhein-Westfalen als Wolfserwartungsland - oder ist es bereits ein Wolfsland? Der Unterschied zwischen beiden Fachbegriffen besteht darin, dass sich hierzulande noch keiner der Räuber angesiedelt hat, im Gegensatz etwa zu Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt. Die acht gesicherten Wolfsnachweise in NRW, allesamt im Osten des Landes, betrafen Tiere auf Wanderschaft, die nach einer kurzen Stippvisite wieder verschwunden sind. Nun könnte ein weiterer Nachweis hinzukommen, noch dazu weit im Westen: In der Dingdener Heide hat ein Schäfer drei seiner Tiere tot und sieben weitere verletzt gefunden. Seine Vermutung anhand der Bissspuren: Ein Wolf habe die Schafe und Ziegen gerissen. Ist also NRW vielleicht schon längst ein Wolfsland?

"Auf keinen Fall", wiegelt Peter Schütz, Sprecher des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), ab. Selbst dann nicht, wenn die Attacke bei Hamminkeln auf einen Wolf zurückzuführen sei, was seiner Meinung nach extrem unwahrscheinlich ist. "In mehr als 90 Prozent solcher Fälle sind wildernde Haushunde die Übeltäter", sagt Schütz. Um Gewissheit über den tierischen Täter zu bekommen, wurden an den Wundrändern der getöteten Schafe Speichelproben entnommen und ins Labor geschickt. Bis Pfingsten soll die DNA-Analyse den vierbeinigen Räuber entlarven.

Auch Thomas Pusch, im Landesfachausschuss Wolf in NRW beim Naturschutzbund (Nabu), ist skeptisch. Rein theoretisch können die Tiere aber große Strecken zurücklegen. "Täglich einen Marathon", sagt Pusch, "also um die 40 Kilometer." Vor allem Jungwölfe durchstreifen große Gebiete, um dort auf Artgenossen zu treffen und sich anzusiedeln. So weit ist es in NRW aber noch nicht gekommen. Alle dort gesichteten Wölfe, etwa in den Kreisen Minden-Lübbecke, Siegen-Wittgenstein, Lippe oder Gütersloh, sind irgendwann wieder verschwunden. Schütz: "Um ungesehen bis an den Niederrhein zu gelangen, müsste so ein Vierbeiner schon sehr pfiffig sein." Und viel Glück haben - die meisten Wölfe sterben beim Überqueren stark befahrener Straßen.

Rund 350 bis 400 Wölfe, aufgeteilt auf 40 Rudel beziehungsweise Paare, leben laut Pusch mittlerweile wieder in Deutschland. Mit der steigenden Zahl der Tiere wächst auch das Konfliktpotential, gerade in dichtbesiedelten Gegenden. Das Land NRW hat daher in Abstimmung mit anderen Bundesländern einen Wolfsmanagement-Plan aufgestellt, der helfen soll, diese Konflikte zu entschärfen. Federführend dabei ist das Lanuv. Noch befinde man sich in Phase eins, sagt Schütz: Tiere wanderten gelegentlich über die Landesgrenzen. Phase zwei bedeute, dass sich ein Rudel oder Paar ansiedele. "Damit ändert sich auch Höhe und Art der Entschädigung etwa für Schäfer, die Tiere verlieren", erklärt Schütz. Werden in Phase eins nur Verluste ersetzt, bei denen sich ein Wolfsangriff nachweisen lässt, tritt der Gesetzgeber in Phase zwei auch dann ein, wenn ein Angriff nicht ausgeschlossen werden kann. Zudem werden auch Präventionsmaßnahmen wie ein Herdenschutzzaun oder Schutzhunde finanziert. Letztere können inklusive Ausbildung rund 3000 Euro kosten. "Ein guter Schutzzaun ist aber schon die halbe Miete", sagt Pusch.

Der Nabu-Experte rät dazu, den Wolf nicht zu dämonisieren. Der Wolf sei weder Kuscheltier noch blutrünstige Bestie, sondern ein Wildtier wie alle anderen auch. Angriffe auf Menschen hat es bisher nicht gegeben. "Wir müssen ihm mit Respekt begegnen, brauchen aber keine Angst vor ihm zu haben."

(RP)
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