Xanten Stelen erinnern an die Judenverfolgung

Xanten · Kunstwerke von Marienschülerinnen waren eindrucksvoller Mittelpunkt beim Gedenken an die Pogromnacht im Ratssaal.

 Ausdrucksstarker Mittelpunkt der Gedenkfeier im Rathaus: Marienschülerinnen erinnern mit ummantelten Holzstelen an die Opfer des Holocaust.

Ausdrucksstarker Mittelpunkt der Gedenkfeier im Rathaus: Marienschülerinnen erinnern mit ummantelten Holzstelen an die Opfer des Holocaust.

Foto: reichwein

Johanna musste die Plünderung der elterlichen Wohnung hautnah miterleben, Erna floh vergeblich nach Köln, wo sie aufgespürt wurde. Wilhelmina wurde vermutlich ebenfalls ermordet; nur die vierte Marienschülerin mit jüdischen Wurzeln, Liselotte, schaffte es, den Gräueltaten der Nationalsozialisten zu entgehen und in England eine neue Existenz aufzubauen. Ihnen gemeinsam ist anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht eine Stele gewidmet, die heutige Schülerinnen entworfen haben. Auf schwarzem Trauersamt stehend bildete sie bei der Gedenkfeier im Ratssaal den stummen und doch ausdrucksstarken Mittelpunkt. Kunst, um zu verstehen, was am 9. November 1938 überall in Deutschland, Österreich und Tschechien passiert ist.

Aber das Kunstobjekt Stele hat mehr getan, es hat die Xantener Opfer auch aus ihrer Anonymität herausgeholt und ihnen, von denen fast nichts bekannt ist, wieder ein Gesicht gegeben. Die jüdische Künstlerin Laula Plassmann arbeitet seit einigen Jahren erfolgreich mit verschiedenen Schulen in der Region an diesem Projekt, seit einigen Wochen auch gemeinsam mit Lehrerin Eva Mesmann im Kunstunterricht an der Marienschule. Alle Holzstelen mit den Namen der Opfer und den Rechercheergebnissen über ihr Leben werden Ende Januar ausgestellt. "Nur wenn wir begreifen, dass hinter nüchternen Zahlen Individuen mit Namen, Gesichtern, Geschichten, Gefühle, Reaktionen, Schicksale stehen, kann Empathie für die Opfer geweckt werden", betonte Jürgen Kappel, Mit-Organisator der Gedenkfeier, in seiner Rede. "Wenn ein solcher Brückenschlag heute gelingt, sind wir auch an diesem Tag unserem Auftrag gerecht geworden."

Madeleine und Nele, zwei Marienschülerinnen aus dem Kunstkurs, berichteten über das Wenige, das sie für die Stele vom Leben der vier jüdischen Mädchen gefunden haben. "Wir begaben uns auf Spurensuche", berichteten sie. Sie wie auch die Kameradinnen mussten tief in den Archiven graben, mit Botschaften telefonieren und sich an das große Dokumentarzentrum für jüdische Opfer im israelischen Yad Vashem wenden, um an die spärlichen Informationen zu kommen.

Künstlerin und Projektinitiatorin Laula Plassmann habe mit ihrer Aktion den verfolgten, vertriebenen und ermordeten Juden in Xanten posthum ein Denkmal gesetzt, hob Kunstlehrerin Mesmann hervor, "ihnen ihre Gesichter und somit die Würde wiedergegeben". Kein Jude sei direkt aus Xanten deportiert worden. Gut? "Die Wirklichkeit sah leider anders aus. Sie wurden vorher vertrieben und aus der Stadt weggeekelt, indem man ihnen die Grundlage nahm."

Über die menschenunwürdigen Zustände im KZ Birkenau hatte 2016 eine Marienschülerin geschrieben, die mit der Arbeitsgemeinschaft Auschwitz nach Polen gefahren war. Schulleiter Michael Lemkens las ihre Zusammenfassung vor. Maren berichtete über die schlimmsten Lebensumständen in den Baracken. Doch die Klassenfahrt nach Polen endete für die Marienschülerinnen mit einem positiven Erlebnis, als sie in Krakau auf israelische Jugendliche trafen und man gemeinsam feierte.

Bürgermeister Thomas Görtz mahnte in der Gedenkstunde Wachsamkeit an. Es sei erschreckend zu sehen, zu was Menschen fähig seien, sagte er. "Mir wird ganz anders, heute zu erleben, dass Menschen den Holocaust verneinen, verniedlichen oder in anderer unangemessener Weise damit umgehen", sagte Görtz.

(kump)
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