Johannes Heilen St.-Heinrich-Schützen feiern ohne König

Xanten · Der Schriftführer der Bruderschaft stellt fest: "Keinen König zu haben, ist der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklung."

Bönning-Rill Erstmals in ihrer 70-jährigen Geschichte feiert die Schützenbruderschaft St. Heinrich in Bönning-Rill heute ohne ein gekröntes Haupt. Wie ausführlich berichtet ist am vorigen Sonntag an der Vogelstange das Kommando "Königsaspiranten vortreten!" unerhört verhallt. RP-Redakteur Bernfried Paus sprach mit Schriftführer Johannes Heilen (56), König von 2009, über die bislang einmalige Vakanz auf dem Schützenthron.

Was hat Sie am Sonntag mehr enttäuscht: Ein EM-Finale ohne Deutschland oder das ausgefallene Finale um die Königswürde?

Johannes Heilen Dass keiner von uns König werden wollte, ganz klar. An der Fußball-Nationalmannschaft hänge ich nicht mit so viel Herzblut. Allenfalls wenn Borussia Mönchengladbach das Champion-League-Finale knapp verpasst hätte, wäre meine Antwort auf diese Frage nicht so eindeutig ausgefallen. Aber selbst dann wäre mir ein Schützenkönig lieber gewesen.

Aber Sie sind als Schriftführer ein großer Fan der St.-Heinrich-Schützenbruderschaft.

Heilen Ganz sicher. Ich bin mit Begeisterung und voller Überzeugung Schütze in der Bruderschaft St. Heinrich. Deshalb ist die Nullnummer am Sonntag schon eine große Enttäuschung, die ich und mit mir der ganze Vorstand erst noch verarbeiten muss.

Wie hat denn eigentlich Ihr 90-jähriger Vater, der ja zu den Gründungsmitgliedern der St.-Heinrich-Bruderschaft gehört, die Nachricht aufgenommen?

Heilen Ich hab's ihm erst am Montagabend persönlich erzählt, dass wir keinen König haben. Mein Vater konnte in der Vergangenheit unsere Sorgen wegen nachlassender Resonanz an der Basis nie so richtig nachvollziehen. Aber er hat mich getröstet und gesagt, dass ein Mal in 70 Jahren keinen König zu haben, kein Beinbruch sei. Die nächsten Jahre hätten wir nun wieder Ruhe.

Sind Sie denn sicher, ob's ein einmaliger Fauxpas bleibt?

Heilen Nicht so ganz. Denn der Komplettausfall von Königsbewerbern ist der vorläufige Tiefpunkt einer sich abzeichnenden Entwicklung. Veranstaltungen und Versammlungen sind lange nicht mehr so gut besucht, wie das früher üblich war. Und es wird immer schwieriger, Leute zu finden, die bereit sind, für kleine Aufgaben wie das Sammeln für St. Martin Verantwortung übernehmen. Die Zeiten haben sich geändert. Das Freizeitangebot ist riesig. Wir stehen da in Konkurrenz. Heute kann man sich auch in den sozialen Netzwerken treffen und ist nicht mehr auf Netzwerke im Verein angewiesen. Bruderschaft ist nicht mehr so in.

Das gilt auch für andere Vereine.

Heilen Das ist so. Es ist ein Trost, allerdings ein schwacher, dass der Trend nichts mit uns im Vorstand persönlich zu tun hat und auch andere mit vergleichbaren Problemen kämpfen. Das macht die Lösung sicher nicht einfacher.

Sie haben von Ihrem Zwiespalt gesprochen: Chance für eine Wende zum Besseren oder Anfang vom Ende. Wo steht die Bruderschaft?

Heilen Emotional halte ich das Fest ohne König für einen Schuss vor den Bug, einen Wachrüttler. Mein Verstand aber sagt, dass wir uns langfristig Gedanken machen müssen, wie wir die Trendwende hinkriegen. Vielleicht müssen wir als Verein auch dafür sorgen, dass finanzielle Überlegungen nicht auf die Motivation von Königsbewerbern drücken. Aber häufig fehlt auch die Bereitschaft der anderen Schützen und deren Frauen, Königsaspiranten als Thronpaare zu unterstützen.

Könnte die Fusion mit anderen Bruderschaften ein Ausweg sein?

Heilen Dieser Gedanke ist bei unseren Quasselabenden im Schützenhaus auch schon mal geäußert worden. Schließlich hat's mal eine gemeinsame Vergangenheit mit den Bürgerschützen in Drüpt gegeben. Das könnte langfristig wieder eine Option werden. Aber erst mal wollen wir heute Schützenball feiern.

Aber der Tisch für den Thron bleibt leer. Drückt das auf die Stimmung.

Heilen An dem Tisch nimmt der Vorstand Platz und zeigt Flagge. Wir wollen nicht Trübsal blasen, sondern mit unseren Gästen ein schönes Fest feiern. Über die Zukunft reden wir später.

(RP)
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