Lokalsport Zwischen Physikarbeit und Auswärtsspiel

Veen/Kansas City · Fußball: Der 20-jährige Veener Johannes Keisers hat in Kansas City bereits die eine oder andere Lektion gelernt. Seinen Tagesablauf bestimmen Sport und Studium. Langfristig möchte er nach Deutschland zurück kehren.

Es ist einer der ersten Abende in seiner neuen Heimat, den Vereinigten Staaten von Amerika. Johannes Keisers sitzt mit seinen Mannschaftskameraden im Restaurant und freut sich auf sein Essen. Endlich bringt der Kellner das verdiente Mahl, und mit Heißhunger beginnt der heute 20-Jährige zu essen. Plötzlich stocken die Bewegungen, irritiert sieht sich Johannes um. Außer ihm hat noch keiner begonnen. Schnell legt er die Gabel wieder weg. "Da jetzt alle etwas haben, können wir ja nun beten", heißt es. "Das war unglaublich peinlich. Aber wer soll denn ahnen, dass im Restaurant vor dem Essen erstmal gebetet werden muss", erinnert sich Keisers.

Es ist die erste "Lektion" die er nach seiner Ankunft in Kansas City gelernt hat. Das ist jetzt gut eineinhalb Jahre her. Mittlerweile hat Keisers sich gut eingelebt und sich auch an die eine oder andere Eigenheit seiner Mitmenschen gewöhnt. Mit 18 Jahren beschloss der Veener, den Schritt über den großen Teich zu wagen. Mit einem Fußball-Stipendium ausgestattet studiert er nun seit drei Semestern Physik am College in Kansas City.

"Ich wollte schon immer gerne ins Ausland und ich habe auch schlicht nicht die großen Alternativen für mich gesehen", begründet Keisers heute seine Entscheidung. Nach seinem letzten Jahr für die U19 von Borussia Mönchengladbach stand der Sprung in den Seniorenfußball an. Recht schnell wurde jedoch klar, dass es mit einem Wechsel in die U23 der Fohlen aus verschiedenen Gründen nicht klappen würde. Die Verantwortlichen der Borussia brachten schließlich die USA ins Spiel und vermittelten Keisers ans College. "Natürlich war ich nervös und es war ein großer Schritt, aber heute bin ich wirklich zufrieden mit meiner Entscheidung", sagt der 20-Jährige.

Dabei ist das Leben in Kansas nicht immer ein Zuckerschlecken. Mindestens fünfmal in der Woche steht Fußball auf dem Programm. Neben dem normalen Training auch viel Arbeit im Kraftraum und natürlich den Spielen in der Saison, die nur im Herbst ausgetragen wird. "Das ist wirklich anders als bei uns. Wir haben häufig zwei oder drei Spiele die Woche. Das schlaucht schon richtig", macht Keisers deutlich. Zudem dauert die Reise zum nächsten Auswärtsspiel eben auch nicht eine Stunde, sondern gerne auch sieben oder acht Stunden wenn es mal wieder bis nach Colorado geht.

Und dann gibt es da noch den Physik-Professor, der über das Wochenende eine Hausarbeit aufgegeben hat. "Ich bin ein normaler Vollzeitstudent, und mir sind meine Noten mittlerweile extrem wichtig", so Keisers. Kein Wunder, denn schließlich hängt von den Leistungen im Studium sein Stipendium ab. Ohne das, hätte er den Schritt ans College niemals gehen können. Ein Semester kostet dort gut und gerne 15 000 Dollar. Die andere Seite der Medaille ist, dass sich mit guten Leistungen auch zusätzliches Geld verdienen lässt. Je besser der Notenschnitt am Ende eines Semesters ist, desto mehr finanzielle Unterstützung erhalten die Studenten.

Nicht ganz so hart sind die Vorgaben auf dem Trainingsplatz. Es ist nicht ratsam, dort völlig aus dem Rahmen zu fallen, aber das scheint für Johannes kein Thema zu sein. Viel mehr genießt der 20-Jährige die professionellen Gegebenheiten und vor allem den multikulturellen Austausch: "Wir haben in unserer Mannschaft Brasilianer, Franzosen, Kanadier und Chilenen. Ich glaube in der Kabine werden mindestens fünf Sprachen gesprochen." Zusammen hat das Team in der letzten Saison einen durchaus beachtlichen Erfolg gelandet. Erst im Finale des "conference tournament" musste man sich knapp mit 1:0 geschlagen geben, durch einen Freistoßtreffer in der Nachspielzeit. Gespielt wurde übrigens in Florida.

"Das ist schon ein schöner Nebeneffekt, wenn man mal eine Woche in Florida ist oder in der Vorbereitung nach Arizona fliegt. Man lernt viel über Land und Leute", so Keisers, der sich trotz des Fauxpas im Restaurant wunderbar eingelebt hat: "Die Leute machen es einem hier wirklich leicht, sind sehr offen und freundlich", sagt Keisers, der allerdings langfristig mit einer dauerhaften Rückkehr nach Deutschland plant.

(jhei)
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