Lokalsport Mit dem Handbike in die Weltspitze fahren

Alpen · Der querschnittsgelähmte Drazen Boric aus Menzelen-West war schon mit dem Rennrollstuhl bei den Paralympics am Start.

 Drazen Boric gehörte mit dem Rennrollstuhl der Weltspitze an. Das möchte der 47-Jährige auch mit dem Handbike erreichen.

Drazen Boric gehörte mit dem Rennrollstuhl der Weltspitze an. Das möchte der 47-Jährige auch mit dem Handbike erreichen.

Foto: Armin Fischer

Er ist in Kroatien geboren, in Dortmund aufgewachsen - und sitzt seit seinem 18. Lebensjahr im Rollstuhl: Es war ein ganz normaler Tag im Mai 1988, der das Leben von Drazen Boric, der seit zwölf Jahren in Menzelen-West lebt, komplett veränderte. Er war 18 und mit seiner Ducati unterwegs. Eine Linkskurve, Schotter auf der Fahrbahn, er kam ins Schlittern, verlor die Kontrolle über das Motorrad, landete auf dem Asphalt. Boric wurde in die Spezialklinik Bergmannsheil in Bochum gebracht - Querschnittslähmung. "Dann kriegt man die Diagnose und muss alles neu lernen", sagt der 47-Jährige, der bis zu seinem Unfall leidenschaftlich Fußball gespielt und geboxt hat. Acht Monate war er in der Klinik.

"Irgendwann muss man sich entscheiden: Rennt man jetzt jahrelang der Hoffnung hinterher, dass alles vielleicht doch wieder gut wird, oder guckt man nach vorne, konzentriert sich auf die Dinge, die noch möglich sind". Drazan Boric entschied sich für Letzteres. "Ich war noch in der Klinik, als im Fernsehen die Paralympics in Seoul übertragen wurden. Und als ich die Rennrollstuhl-Fahrer sah, stand für mich fest: Das ist mein Sport, das probier ich aus". Kaum aus der Klinik entlassen, suchte er einen Verein, traf dort auf eine engagierte Sportlehrerin, ließ sich einen Rennrollstuhl maßschneidern - und fing an zu trainieren, schaffte es sogar in die Nationalmannschaft.

Zehn Jahre fuhr er erfolgreich zu Wettkämpfen, nahm 1996 an den Paralympics in Atlanta teil, "da habe ich zum ersten Mal reingeschnuppert in die Weltelite - und bin Letzter geworden!", erzählt der 47-Jährige und lacht. Es folgten die WM in Birmingham, die Worldgames in Neuseeland, 2000 dann die Paralympics in Sydney, wo er über die 400- und die 800-Meter-Distanz auf den undankbaren vierten Platz kam. Aber er brachte auch eine Medaille mit, holte in Australien mit der Staffel Bronze über 4x400 Meter.

Mit 30, nach den Paralympics in Sydney, war Schluss mit dem Rennrollstuhl-Fahren. Boric wollte sich neu sortieren, beruflich umorientieren. "Ich war müde und hatte keine Lust mehr." 15 Jahre trieb er überhaupt keinen Sport. Vor zwölf Jahren zog er mit seiner Frau Stefanie nach Menzelen-West, wagte 2011 den Schritt in die Selbstständigkeit und berät und coacht seither deutschlandweit Unternehmen der Gesundheitsbranche.

Zu seinem Leidwesen nahm er in der Zeit an Gewicht zu, bekam immer häufiger Schmerzen an der Schulter, den Gelenken, vor allem den Handgelenken. Vor zwei Jahren zog Drazen Boric die Reißleine, tauschte den Rennrollstuhl gegen das Handbike und fuhr los. "Schon nach drei, vier Tagen habe ich gemerkt, dass die Schmerzen weniger wurden". 18 Kilogramm speckte er ab Boric nahm Kontakt zu Errol Markklein, einem Produktentwickler im Sportbereich, auf und ließ sich ein Handbike anfertigen. Markklein war's, der Boric überzeugte, das Ganze wettkampfmäßig zu machen. 2016, in Hamburg, da ist er zum ersten Mal an den Start gegangen und im guten Mittelfeld ins Ziel gekommen. "Da habe ich Blut geleckt", gibt der 47-Jährige zu, der jeden Tag 70 Kilometer zurücklegt, einen 30-er Schnitt und im Wettkampf einen 40-er Schnitt fährt, sich selber einen Trainingsplan erarbeitet, seine Schwächen analysiert, genauso seine Stärken.

"Am Berg bin ich extrem gut, auch im Sprint. Ich habe mir in den letzten zwölf Monaten eine Tempo-Härte antrainiert". 2017 stand für ihn im Fokus, das Leistungsniveau der deutschen Spitzenfahrer zu erreichen und an ihnen vorbeizuziehen. "Ziel erreicht", sagt Boric. Nächstes Jahr will er bei den Europa- und Weltcups dabei sein.

Am Material wird's nicht liegen, wenn er seine Ziele nicht erreicht, sagt er selber. Denn er fährt seit Jahresanfang ein auf Maß gefertigtes, 15.000 Euro teures Handbike, gesponsort vom Team Sopur. Im April 2018 will Drazen Boric in Rosenau im Elsass (Frankreich) beim ersten Rennen der Saison für Handbiker starten. Bis dahin wird trainiert, jeden Tag, bei schlechtem Wetter auf der Rolle in der Garage. "Es geht im Leben doch immer nur um eines: um Anerkennung", antwortet er auf die Frage nach dem "Warum?". Und sagt ganz klar: "An dem Tag, an dem ich merke, dass es keinen Spaß mehr macht, höre ich auf."

(jas)
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