Xanten Schauspielabend trifft ins Herz

Xanten · Mit "Barfuß nackt, Herz in der Hand" steht nach 22 Jahren erneut ein Schauspiel über die Morde in Solingen auf dem Spielplan des Duisburger Kleinkunsttheaters Die Säule.

 Der vorzügliche Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi verkörpert authentisch den einfachen Gastarbeiter, der sich in Deutschland zu Hause fühlte und der beim Anschlag Frau und Sohn verlor.

Der vorzügliche Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi verkörpert authentisch den einfachen Gastarbeiter, der sich in Deutschland zu Hause fühlte und der beim Anschlag Frau und Sohn verlor.

Foto: stephan haase

Martina Linn-Naumann, die Leiterin des Kleinkunsttheaters Die Säule an der Goldstraße 15 in der Duisburger Innenstadt, hatte vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal den Mut, ein zeitgenössisches Stück aus dem Schwarzbuch der Wirklichkeit aufführen zu lassen. "Ich werde nicht hassen" heißt das Stück, das entgegen einiger Befürchtungen trotz des ernsten Themas ein großes Publikum fand, das nach der Aufführung bewegt und begeistert war - genau, wie es zuvor versprochen wurde. Die Begeisterung hatte zwei Gründe: Zum einen ist das Stück, das nach einer wahren Begebenheit geschrieben wurde, vorzüglich. Zum anderen stand mit Mohammad-Ali Behboudi ein begnadeter Schauspieler auf der kleinen, aber feinen Säulen-Bühne. Jetzt gibt es die Gelegenheit, Mohammad-Ali Behboudi wieder in der Säule zu erleben.

Und zwar in einem Monologstück, mit dem der Schauspieler bereits vor 22 Jahren auf der Bühne stand und mit dem er damals Aufmerksamkeit beim Publikum und Preise von Fachjuries gewann. Es heißt "Barfuß nackt, Herz in der Hand". Geschrieben hat es Ali Jalaly, ein ehemaliger iranischer Schulkamerad von Mohammad-Ali Behboudi. Der Hintergrund des Stücks ist ähnlich erschütternd wie bei "Ich werde nicht hassen".

Im Mittelpunkt steht Ali, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und bei der Müllabfuhr arbeitet. Er hat seine eigenen Ansichten über das Land, was in den durchaus komischen Redeweisen durchschimmert. Im Laufe des Monologs wird Alis Trauma allmählich deutlich: Bei einem Brandanschlag von Neonazis hat er seine Ehefrau und seinen Sohn verloren. Den Realitätsbezug werden viele Leser erkennen: Es ist der Anschlag von Neonazis und Rassisten in Solingen, die am 29. Mai 1993 ein Haus in Brand gesetzt hatten, das von türkischen Familien bewohnt war. Fünf Menschen starben damals. Diese furchtbare Tat hatte Ali Jalaly in seinem Theaterstück verarbeitet, das im Februar 1996 in Bern uraufgeführt wurde. Rund 25 Jahre nach dem Solinger Brandanschlag konnte Martina Linn-Naumann Mohammad-Ali Behboudi gewinnen, das Stück nochmals in der Säule zu spielen. Und zwar am 12. und 13. April, 20 Uhr, und dann noch einmal am 14. April, 17 Uhr, in der Aula der Marxloher Grillo-Gesamtschule (Diesterwegstraße 6). Man kann sich vorstellen, dass nach einer "Pause" von mehr als 20 Jahren ein Schauspieler ein Stück ganz neu einstudieren muss. Mohammad-Ali Behboudi hat es mit Überzeugung getan. Denn die NSU-Morde zeigten, dass auch Jahre nach Solingen immer noch tödlicher Fremdenhass in deutschen Hohlköpfen regiert. Gute Absichten führen erfahrungsgemäß nicht zwangsläufig zu guten Schauspielabenden. Bei "Barfuß nackt, Herz in der Hand" kann man alle Befürchtungen jedoch zerstreuen: Das liegt zum einen an der Anlage des Stücks, das nicht bleiernd schwer dem Publikum die Untat vor Augen führt. Zum anderen, und das fällt wohl noch stärker ins Gewicht, ist Mohammad-Alil Behboudi auch diesmal unglaublich gut. Man kann sich schlichtweg keinen besseren Schauspieler für dieses Stück vorstellen als ihn! Wie er die Festtagsstimmung des einfachen, aber sympathischen Gastarbeiters Ali rüberbringt, wie er dessen Naivität und Staunen angesichts deutscher Sitten andeutet, ohne ihn der Lächerlichkeit preiszugeben, wie er dessen rustikalen Mannes-Scherze, seine väterliche Überfürsorge für die Tochter oder seine Treuherzigkeit gegenüber einer älteren Nachbarin darstellt: All das ist grandios. Als Zuschauer nimmt man an diesen Stimmungen mit Freuden teil. Diese Aufheiterungen sind wichtig, um den traurigen Hintergrund des Stücks aushalten zu können.

Der Eintritt kostet in der Säule 13,50 Euro, ermäßigt zwölf Euro. Karten für die Aufführung in der Grillo-Gesamtschule kosten zehn Euro. Kartenvorbestellung unter Tel. 0203 0125. Vorverkauf auch an der Kasse des Duisburger Stadttheaters, Neckarstraße 1, Tel. 0203 28362100

(pk)
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