Xanten Mit 66 Jahren fängt das neue Leben an

Xanten · 1986 begann die Pädagogin ihre Arbeit an der Realschule Xanten. Seit 2013 leitet sie die Gesamtschule Xanten-Sonsbeck. Jetzt geht die beliebte Lehrerin in den Ruhestand. Am Freitag wird die Mutter von vier Söhnen und Großmutter von drei Enkelkindern offiziell verabschiedet.

 Regina Schneider hat in ihrem Berufsleben an der Schule der Zukunft in Xanten mitgebaut. Jetzt verabschiedet sie sich in den Ruhestand.

Regina Schneider hat in ihrem Berufsleben an der Schule der Zukunft in Xanten mitgebaut. Jetzt verabschiedet sie sich in den Ruhestand.

Foto: reichwein

Wenn Regina Schneider am Freitag ein letztes Mal den Wecker auf 6.15 Uhr stellt, um halb acht im Büro sitzt, als erstes schaut, welche Lehrer krank sind, wo schnell eine Vertretung organisiert werden muss oder was an dem Tag Besonderes anliegt, dann tut sie dies nicht schweren Herzens, sondern sieht mit der ihr eigenen positiven Art einem Ruhestand entgegen, der ihr keine Angst macht und vermutlich alles andere als ruhig sein wird. Denn so pragmatisch und strukturiert wie sie 1975 als Lehrerin und seit 2013 als Direktorin der von ihr federführend konzipierten und entwickelten Gesamtschule Xanten-Sonsbeck unterwegs ist, so klar ist für die 66-Jährige auch das: "Ich höre mit Schule auf, komme auch nicht als Seniorberaterin um die Ecke".

Das glaubt man der engagierten Pädagogin aufs Wort, die "schon 60 Jahre im Bereich des Lernens beschäftigt" ist, 25 Jahre lang als Mutter vier Söhne (32 bis 43 Jahre alt) bis zum Abitur begleitet hat und Schule als Institution sieht, die "angetreten ist mit dem Ziel, zu jeder Zeit Menschen zu unterstützen" und ihnen nicht nur Wissen, sondern auch wichtige Werte zu vermitteln. Respekt gehört dazu, Freundlichkeit und Höflichkeit, Klarheit in der Struktur, Vertrauen schenken und tragen, Grenzen setzen, Irrtümer zulassen.

Und ihnen beibringen, dass es zwei Arten des Sprechens gibt: Eine, die Menschen wohl tut, und auf der anderen Seite eine Art zu sprechen, die Menschen verletzt.

Grenzen, so sagt Regina Schneider, "sind da, wo die Grenzen der anderen anfangen". Als erfolgreich gelte nach wie vor, wer ein Gymnasium besucht und einen akademischen Abschluss vorweist. Als sie 1986 zur Realschule in Xanten kam, drohte die Schule immer kleiner zu werden. Als sie 2013 die Realschule verließ (die sie seit 2004 leitete), besuchten 850 Mädchen und Jungen mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen die Schule, die alleine gestanden habe als Gegengewicht zum Gymnasium und zur Marienschule. "Wo hätten die Kinder, die langsam lernen oder schlecht sehen oder nicht still sitzen können, hingehen sollen?" Der Schritt, eine Gesamtschule zu installieren, war für Regina Schneider zwingend. "Wir schicken Kinder nach der fünften oder sechsten Klasse nicht weg, weil sie bestimmte Leistungen nicht bringen." Dabei hat sie stets die eigene Grenze im Blick: "Ich kann bestimmte Lebenssituationen, häuslich und persönlich, nicht ändern. Ich kann nur versuchen, diese Kinder mit ins Boot zu holen."

Nein, sie wollte nicht schon als Kind unbedingt Lehrerin werden. Aber: "Ich wollte mir und den Menschen immer schon die Dinge erklären. So war das." Auch in den Ferien war Regina Schneider immer halbe Tage in der Schule, hat sich in den Sommerferien nur zehn Tage eine Auszeit genommen. "Das war für mich, da konnte ich vieles abarbeiten, was liegen geblieben ist. Und das hat dazu geführt, dass ich kaum unter Druck stand", erzählt die Pädagogin, für die ein 12-Stunden-Arbeitstag eher die Regel denn die Ausnahme war. Alle 14 Tage geht sie mit ihrem Mann Dr. Wolfgang Schneider tanzen, besucht möglichst viele Konzerte des Pianisten Grigori Lipmanowitsch Sokolow, weil seine Art, Klavier zu spielen, ihr hilft, den Kopf und das Gemüt frei zu bekommen.

2019 wird der erste 10-er Jahrgang an der Gesamtschule Xanten-Sonsbeck seinen Abschluss machen, 2022 die ersten Abiturienten entlassen. "Wenn ich zu den Abschlussfeiern eingeladen werde, sitze ich in der ersten Reihe und freue mich über jeden einzelnen, der es geschafft hat", sagt Regina Schneider, die weiter im Förderverein mitarbeiten will, neuerdings auch Euregio Ambassadeurin (ehrenamtliche Botschafterin) für den Kreis Wesel ist und sich vorgenommen hat, jedes ihrer verstreut in Deutschland lebenden, Fußball begeisterten Kinder und die drei Enkel mindestens zwei Mal im Jahr zu besuchen und mindestens drei Tage da zu bleiben.

Worauf sie sich schon besonders freut? "Dass ich morgens mehr Zeit habe, nicht mehr um 6.15 Uhr aufstehen muss. Ich bin eigentlich ein Nachtmensch, bin immer ungern früh aufgestanden." Was sie sich im Ruhestand noch wünscht? "Drei knackige ältere Herren, am liebsten aus dem Ruhrpott, die einmal in der Woche mit mir Skat spielen und mit denen ich dann so richtig ordentlich schimpfen kann, wenn einer 'mal blöd gespielt hat."

Info: Freitag wird Schneider um 14 Uhr in der Gesamtschule verabschiedet.

(jas)
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