Xanten Kampf gegen Sucht beginnt im Kopf

Xanten · Die Suchtselbsthilfegruppe geht auch an Schulen, um aus erster Hand über die Gefahren des Alkohols und des Spielens zu informieren. Sie arbeitet eng mit Therapeuten zusammen. Bei "Bewegen hilft" fließt der Gruppe eine Spende zu.

 Christa und Norbert Kalisch haben verschiedene Brillen zur Demonstration optischer Veränderungen bei starkem Alkoholgenuss. RP-Mitarbeiter Peter Gottschlich hat eine 0,8-Promille-Alcopop- Brille aufgesetzt.

Christa und Norbert Kalisch haben verschiedene Brillen zur Demonstration optischer Veränderungen bei starkem Alkoholgenuss. RP-Mitarbeiter Peter Gottschlich hat eine 0,8-Promille-Alcopop- Brille aufgesetzt.

Foto: Fischer Armin

"Ich habe jeden Tag auf den Dienstschluss gewartet, um trinken zu können, als ich zu Hause war. Am Ende habe ich auch auf der Arbeit getrunken." Christa Kalisch erzählt ihre Suchtgeschichte ganz ungeschminkt. Diese wäre fast mit einem Selbstmord geendet. Doch ihr Mann Norbert Kalisch fand sie rechtzeitig. "Ich bin in die geschlossene Psychiatrie gekommen wie alle gescheiterten Selbstmörder", blickt sie zurück. "Dort in Kalkar hat es in meinem Kopf Klick gemacht. Körperlich dauert der Entzug zehn Tage, seelisch ein ganzes Leben."

Fast 18 Jahre ist ihre Suchtgeschichte her. Doch für die 65-jährige Xantenerin ist sie so präsent, als sei sie gestern passiert. "Alkoholismus ist eine Krankheit, die nicht zu heilen ist", sagt sie. "Ich kann sie nur stoppen. Es besteht immer die Gefahr, rückfällig zu werden." Um diese Gefahr gering zu halten, besuchte sie Selbsthilfegruppen, seitdem sie trocken ist. Sie ließ sich zur Suchtkrankenhelferin ausbilden. Und mit ihrem Mann, der nie Alkoholiker war, gründete sie 2011 die Sucht-selbsthilfegruppe Hoffnung.

Seitdem leiten sie nicht nur diese Gruppe für Suchtkranke und Angehörige, sondern besuchen auch regelmäßig Schulen, um 13- und 14-Jährige vor dem Alkoholismus zu warnen, beispielsweise am Konrad-Duden-Gymnasium in Wesel oder an der Marienschule in Xanten. "Vier Millionen Alkoholkranke gibt es in Bundesrepublik laut der Statistik", sagt Norbert Kalisch. "Doch diese Zahl ist anonym, anders als eine persönliche Suchtgeschichte."

Die können die Schüler der siebten und achten Klassen von Christa Kalisch hören. "Alkoholismus ist oft anerzogen", sagt sie. "Zum Beispiel hat mein Vater getrunken, als er Probleme hatte. Dieses Verhaltensmuster habe ich übernommen. Aber mit Alkohol ,verschwindet' ein Problem nur für einige Stunden, dann kehrt es erst richtig zurück. Alkoholismus ist ein schleichender Vorgang. Ich habe immer mehr getrunken. Irgendwann hatte die Sucht mich im Griff. Wenn eine Flasche offen war, konnte ich sie nicht mehr wegstellen. Ich musste sie leer trinken. Selbstbewusstsein ist das beste Mittel gegen Alkoholismus."

Doch wenn in einer Gruppe Alkohol mit guter Laune verbunden wird, ist es für Jugendliche und Erwachsene nicht leicht, selbstbewusst zu sein und Nein zu sagen, besonders wenn das Zell- und Nervengift in "Alcopops" kaum zu spüren ist. Deshalb haben Christa und Norbert Kalisch immer eine "Alcopop-Brille" dabei, wenn sie Schulen besuchen oder auf ihre Gruppe an Informationsständen aufmerksam machen. "Man kann Entfernungen nicht mehr richtig einschätzen, sieht Dinge verschwommen und reagiert langsamer", berichtet Norbert Kalisch. "Die Schüler bemerken das, wenn sie mit der Alcopop-Brille über einen Parcours laufen, in dem Pylone und Hindernisse stehen." Für ihn ist die Prävention an Schulen ganz wichtig. "Alkoholismus ist eine Volkskrankheit", sagt er. "Alkohol lässt sich nicht verbieten. Das hat die Prohibition in Amerika in den 20er Jahren gezeigt. Aber Gruppen können auf die Gefahr hinweisen, um die Krankheit zu reduzieren. Prävention beginnt immer in den Köpfen. Alkoholismus ist vor allem eine psychische Krankheit. Auch wenn es Rückfälle geben kann: Es gibt immer einen Weg aus der Sucht heraus."

Dabei sieht er die Arbeit der Gruppe Hoffnung nur als Rädchen im Getriebe der Prävention und der Suchtbekämpfung. Deshalb arbeitet die Gruppe eng mit Suchtberatern und Therapeuten zusammen. Sie hat auch die "Pokemonsucht" ins Blickfeld genommen, also die Computerspielsucht, die noch unterschiedliche Namen hat. "Es dauert nicht mehr lange, bis diese Sucht und ihre Folgen ein großes Thema sind", ist sich Norbert Kalisch sicher, der sich mit seiner Frau darüber freut, wenn durch Guido Lohmanns Aktion "Bewegen hilft" die Arbeit der Gruppe unterstützt wird.

Die Suchtselbsthilfegruppe "Hoffnung Xanten-Sonsbeck-Alpen" hat zwölf Mitglieder, wobei nicht alle, die zum regelmäßigen Treffen kommen, Mitglieder sind. Treffen jeden Freitag von 19 bis 21 Uhr im SPIX in Xanten, Marsstraße 70. Infos bei Christa und Norbert Kalisch, Tel. 02801 70122 oder norbertkalisch@web.de.

(got)
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