Zum Sonntag Hinhören in aller Stille

Xanten · Zumindest Lehrer und Schulkinder empfinden seit einer Woche die Freude freier Tage. Ferien - das ist der Sonntag des Jahres.

Aber dann beginnt eine neue Schwierigkeit. Wir alle sind so geprägt und beeinflusst von Verpflichtungen und Aufgaben, so häufig unter Druck, dass wir eigentlich nur noch die Sprache unseres Leistungs- und Anspruchsdenkens verstehen. Wir alle sind auf vielfältige Weise Knechte unserer Uhren.

Und so etwas soll von einem Tag zum anderen abgeschüttelt werden? Um richtig Ferien erleben zu können ist eine Voraussetzung besonders wichtig: Wir müssen eine andere Sprache lernen. Dabei geht es nicht um die Sprache eines Nachbarlandes, sondern um die Fähigkeit, die Sprache der Menschen, mit denen wir in der Ferienzeit viel häufiger zusammen sind, neu zu verstehen. Wir müssen tatsächlich wieder lernen, andere zu verstehen in ihren inneren Anliegen und Aussagen. Wir müssen neue Worte des Miteinanders finden, die über die abgegriffenen alltäglichen Worte hinausgehen.

Genauso wichtig ist es, dass wir wieder die Sprache der Schöpfung verstehen lernen. Was uns eine Blume sagen will, ein Wald, ein Gebirge, was das Meer zu erzählen weiß, das alles sind Sprachen, die wir verlernt haben. Eine Sprache solcher Art lernt man eigentlich nur in der Stille, im Schauen und Betrachten und im wirklichen Hinhören. Wie sagte es schon Astrid Lindgren: "Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen."

Die Sprache der Schöpfung ist zugleich die Sprache Gottes, die schönste und schwerste aller Sprachen. Ferien als Sprachkurs - das sollten wir uns wünschen, wenn wir jetzt erleichtert feststellen: endlich Ferien!

Vielleicht haben Sie als Leserin und Leser ja Zeit - ob Sie Ferien haben oder auch nicht - die Alltagspflichten und - sorgen ein wenig abzulegen und zur Ruhe zu kommen, um diesen "Sprachkurs" zu besuchen. Es lohnt sich auf jeden Fall!

Einen gesegneten Sonntag!

AUTOR DIETMAR HESHE IST LEITENDER PFARRER DER PFARRGEMEINDE ST. ULRICH ALPEN.

(RP)
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