Xanten Hebamme - ein gefährdeter Beruf

Xanten · Olga Eberhardt ist Hebamme. Seit gut 25 Jahren hat sie am Niederrhein werdende Mütter rund um die Geburt begleitet. Ihre Praxis zieht nun an die Landwehr um: Die Hebamme spricht über ihren Berufsstand.

 Hebamme Olga Eberhardt sorgt sich über die persönliche Betreuung von Müttern vor, während und nach der Geburt ihrer Kinder

Hebamme Olga Eberhardt sorgt sich über die persönliche Betreuung von Müttern vor, während und nach der Geburt ihrer Kinder

Foto: A. Fischer

Knallige Wandfarben zieren die neuen Räume der Hebammenpraxis von Olga Eberhardt. Seit 2004 hat sie die Hebammenpraxis Xanten am Westwall geführt und Frauen rund um die Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach betreut. Nun steht der Umzug an einen neuen Standort bevor: Von der Innenstadt geht es an die Landwehr 74. Einen großen Gymnastikraum für verschiedene Kursangebot gibt es dort sowie zwei Behandlungsräume mit einem Wickeltisch und einem CTG Gerät (Wehenschreiber) für die Vorsorgeuntersuchungen.

"Die neuen Räume sind etwas kleiner, aber auch moderner geworden", erzählt Olga Eberhardt. Während sie der Eröffnung ihrer neuen Praxis freudig entgegensieht, bereitet ihr die Situation der Hebammen in Deutschland zunehmend Sorge. Gut erinnert sie sich an ihre Berufsanfänge in einer großen Geburtsklinik in Russland: "Die Hebammen waren vermummt wie in einem Operationssaal. Es gab nichts Persönliches", erzählt sie. "Die Mütter kamen, entbanden und gingen wieder; es war wie in einem Industriebetrieb."

Als Olga Eberhardt 1992 nach Deutschland kam, war sie froh, dass es dort ganz anders war. Dabei bezieht sie sich auf die familienorientierte Geburtshilfe und die persönliche Betreuung. Doch durch die Schließung vieler kleiner und ländlicher Geburtsstationen in den letzten Jahren, habe sie Angst, dass diese Art der Betreuung bald nicht mehr existieren wird. "Die Krankenhäuser und Kreißsäle werden zentralisiert, Geburtshäuser wegrationalisiert", sagt sie. Eine Karte der Elterninitiative für sichere Geburtshilfe "Akte NRW" bestätigt das: Darauf ist zu sehen, dass in den letzten 15 Jahren die Geburtshilfe in den Krankenhäusern Xanten, Kevelaer, Goch und Kamp-Lintfort geschlossen wurden. Zur Entbindung ist von Xanten aus das Marien-Hospital in Wesel das nächstgelegene. Dort bietet die selbstständig arbeitende Hebamme, in einem Team aus sechs Hebammen - dem Storchenteam Niederrhein, seit dem 1. Juli Beleggeburten an. Das Ziel sei es, die persönliche 1:1-Betreuung weiter zu erhalten.

"Aber es wird für Beleg-Hebammen immer unwirtschaftlicher, diesen Beruf auszuüben; sie erhalten eine geringe Grundvergütung und sind steigenden Kosten ausgesetzt", sagt Olga Eberhardt. Als Beispiel nennt sie die Haftpflichtversicherung, "sie ist in den letzten Jahren von 1587 Euro auf 7639 Euro gestiegen, für uns wird es bald nicht mehr möglich sein, sie zu zahlen." Die Folge sei, dass immer mehr Hebammen aus dem Belegsystem gehen müssen, weil die Kosten immer höher werden. Das wirke sich auch auf die festangestellten Hebammen in den Kliniken aus: "Sie erleben eine immer weiter steigende Überbelastung." Auch gebe es weniger junge Menschen, die sich für den Beruf entscheiden: "Sie bekommen mit, dass der Beruf zwar schön, aber sehr stressig und wenig lukrativ ist", erzählt die Xantener Hebamme.

Und noch etwas bereitet Olga Eberhardt Sorge: die Betreuung nach der Geburt. In den ersten zehn Tagen nach der Geburt können Mutter auf Wunsch von einer Hebamme unterstützt werden, die ihnen mit Tipps zur Seite steht. Bezahlt wird das von der Krankenkasse. Doch auch da ist die Xantenerin besorgt, dass dies eventuell so nicht mehr weiter stattfinden könne. "Laut eines kürzlichen Schiedsstellenbeschlusses sollen Hausbesuche durch Wochenbettambulanzen ergänzt werden", sagt Olga Eberhardt. Das heißt, dass Frauen diese Stellen gezielt aufsuchen müssen. "Wie soll das denn funktionieren, wenn sie zum Beispiel nach einem Kaiserschnitt, bei Stillproblemen oder mit Fieber hier auf dem Land mit Kinderwagen und Neugeborenem in Bus und Bahn steigen müssen?", fragt sie und fügt hinzu: "Am Ende sind es die Frauen, die darunter leiden."

Doch trotz aller Besorgnisse freut sich Olga Eberhardt auf die Umzugsfeier am Sonntag, 22. Oktober. Von 11 bis 16 Uhr lädt sie dazu ein, sich ihre neuen Praxis-Räume anzusehen.

(ubg)
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