Xanten Grabstelen geben Opfern ein Gesicht

Xanten · "Wider das Vergessen" - so lautet der Titel eines Projekts, bei dem sich Schüler der Marienschule mit dem Holocaust auseinandersetzen. Bei der Gedenkfeier am 9. November im Rathaus werden erste Ergebnisse vorgestellt.

 Sie stellten das Projekt gemeinsam vor: Bürgermeister Thomas Görtz (v.l.), Schulleiter Michael Lemkens, Künstlerin Laula Plaßmann (Mitte), Kunstlehrerin Eva Mesmann (r.) sowie Schülerinnen der Marienschule.

Sie stellten das Projekt gemeinsam vor: Bürgermeister Thomas Görtz (v.l.), Schulleiter Michael Lemkens, Künstlerin Laula Plaßmann (Mitte), Kunstlehrerin Eva Mesmann (r.) sowie Schülerinnen der Marienschule.

Foto: Fischer

Hinter sechs Millionen jüdische Opfern der NS-Gewaltherrschaft verbergen sich sechs Millionen Einzelschicksale. Doch viele sind unbekannt. Wie haben diese Menschen ausgesehen? Woher stammten sie? Wie lebten sie? Fragen über Fragen, auf die es vielfach keine Antworten gibt. Die Künstlerin Laula Plaßmann will dies nicht akzeptieren. Die Neu-Xantenerin, selbst Kind jüdischer Eltern, die den Holocaust überlebt haben, kämpft "Wider das Vergessen". So lautet der Titel eines Projekts für verschiedene Schulen.

Aktuell bereitet sie mit Zehnklässlerinnen der Marienschule die Xantener Gedenkfeier zur Reichspogromnacht von 1938 vor. "Ziel ist es, Geschichte zu individualisieren", erläutert sie, "so wird sie plastisch." Die bildende Künstlerin und Kunsttherapeutin möchte durch ihre Arbeit den Schülerinnen jüdische Traditionen aufzeigen, den Holocaust am Beispiel der jüdischen Einwohner von Xanten aufarbeiten und Respekt gegenüber anderen Menschen, Kulturen und religiösen Traditionen vermitteln, um so ein Leben ohne Rassismus und Antisemitismus zu ermöglichen.

Die Schülerinnen arbeiten an Grabstelen für einzelne Xantener, die von den Nationalsozialisten verfolgt, deportiert und getötet worden sind. Zur Feier am 9. November im Rathaus wird eine erste Säule vorgestellt. Sie ist vier jüdischen Mädchen gewidmet, die in der NS-Zeit die Marienschule besucht hatten. Die anderen Stelen werden bis zum Auschwitz-Gedenktag am 27. Januar fertiggestellt. Diese Tage müsse man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, mahnt Bürgermeister Thomas Görtz.

Annabell und Anna zum Beispiel haben versucht, das Leben von Sally Bruckmann nachzuzeichnen. Die Suche nach Informationen gestaltete sich zäh, nur wenig ist der Nachwelt überliefert. Das Stadtarchiv selbst muss dringend aufgearbeitet werden, die Dokumentarstätte von Yad Vashem in Israel hatte nur spärliche Angaben. So viel ist bekannt: Sally Bruckmann lebte in Xanten, war Lehrer und starb irgendwann 1942 oder 1943 in einem Konzentrationslager. Ein Foto von ihm liegt vor und diente jetzt als Vorlage für eine Strichzeichnung. Diese Skizze werden die beiden jungen Rheinbergerinnen, verbunden mit einer kleinen Tafel und Kreide als Symbole für Bruckmanns Lehrerberuf, auf ihre Stele kleben und so den Mann aus der Anonymität der Statistik herauslösen.

Stadt und beide Kirchengemeinden gestalten im Wechsel die Gedenkfeiern im November und im Januar. "Wir wollen diese Erinnerung an die nächste Generation weitergeben, an die Jugend herantragen und dabei auch noch andere Aspekte als die Schülerfahrten nach Auschwitz mit einbeziehen", sagt Mit-Projektleiter Jürgen Kappel. "In diesem Jahr ist es die Kunst."

Die Gedenkfeier beginnt am Donnerstag, 9. November, um 18.30 Uhr. Dann werden auch die Berichte von Marienschülerinnen, die 2016 in Polen, darunter in Auschwitz, waren, zu hören sein. Die meisten Mädchen hingegen, die aktuell an den Stelen arbeiten, sind bei dieser Gedenkfeier nicht anwesend, denn sie sind dann selbst auf Jahrgangsstufenfahrt dorthin.

(kump)
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