Sonsbeck Grabsteine können sprechen

Sonsbeck · Zum evangelischen Ewigkeitssonntag ein Gang des Gedenkens über die Sonsbecker Friedhöfe.

Das schmiedeeiserne Tor an der Balberger Straße öffnet sich zum Gang durch einen kleinen Park. Hier, früher einmal knapp vor dem Ort im Schatten der alten Stadtmauer, sind heute Steine in verschiedenen, meist geschwungenen Formationen ausgelegt. Grabsteine. Hier begruben die evangelischen Christen zwischen 1840 und 1984 ihre Toten. Ihrer gedenken die Protestanten an diesem Sonntag ganz besonders. Sie begehen den Ewigkeitssonntag, den König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Jahr 1816 als "Totensonntag" angeordnet hatte - am letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem Sonntag vor dem 1. Advent.

"Die Kultur eines Volkes erkennt man daran, wie es mit seinen Toten umgeht", zitiert Anita Orgassa, die in Zusammenarbeit mit dem Heinat- und Verkehrsverein durch die Totengedenkstätten Sonsbecks führt, den griechischen Philosophen Perikles (493-429 vor Christus) beim Betreten der Bestattungsstätte einer Gemeinde, die sich ganz früh der lutherischen Lehre angeschlossen hatte und die unter anderem durch den Zuzug Pfälzer Familien gekennzeichnet war. Familien, die in der Folgezeit oft auch die Geschicke des Ortes wesentlich mitbestimmten. Wie der ehemalige Bürgermeister von der Heyden-Rinsch, der hier im Jahr 1860 zu Grabe getragen war. Auf dem Friedhof an der Balbergerstraße erinnert gleich eine ganze Steinreihe an die Vorfahren dieser Sonsbecker Familie. Oder auch an Friedrich Wilhelm Laeger. Er war bis zu seinem Tode 40 Jahre lang Bürgermeister von Sonsbeck und Labbeck. Große Stelen geben dem Halbrund des Grabes eine würdevolle Erscheinung - auch wenn der Friedhof 30 Jahre nach dem letzten Begräbnis längst aufgegeben ist.

An einem Seitenweg der Xantener Straße liegt die letzte Beisetzung ebenfalls lange zurück. Auch hier ein Tor, dahinter ein eng begrenztes Stück Land: der jüdische Friedhof. Hier legten die Angehörigen der Synagogengemeinde Alpen ihre Toten zur Ruhe. Ein kleines Stück Land, in dessen Gräbern die Leichname übereinander beerdigt wurden. Das letzte "echte Grab" stammt aus dem Jahr 1937: Alex Hertog. Mit einem Stein im Vordergrund erinnern die nach Amerika geflüchteten Kinder von Albert und Rieke Marcus an die Deportation und das Sterben ihrer Eltern im KZ. Auf einem jüdischen Friedhof können die Grabsteine sprechen: Sie geben schriftlich und symbolisch Auskunft über Rang, Familienstand, und Herkunft.

Etwas, das in dieser Weise weder auf dem katholischen, noch dem heute öffentlichen und früher einmal katholischen Friedhof im Schatten der der Gerebernus-Kapelle zu finden ist, was wir bereits zum katholischen Gedenktag Allerheiligen thematisierten. Zu einem großen Teil tragen die Steine christliche Symbole. Aber auch hier geben Familiennamen Geburts- und Todesjahr Zeugnis von den Ahnen vieler Sonsbecker Familien.

Dass die Religionen aufeinander aufbauen, wird aber auch an anderen Parallelen sichtbar, erklärt Anita Orgassa, früher Geschäftsführerin des Sozialdiensts Katholischer Frauen (SKF) in Moers und Kleve. Auch wenn nicht alle Bräuche bis heute vollständig erhalten blieben. In den jüdischen Familien gibt es ein Totenhemd bereits zur Hochzeit. Die Toten werden gesalbt, erklärt die gebürtige Sonsbeckerin. Allerdings gibt so mancher Ausdruck in diesem Zusammenhang nicht unbedingt seine Herkunft preis. Leichenbitter gehört dazu. Dem Lik-Noaber, also dem Leichennachbarn blieb es vorbehalten, von Haus zu Haus die Nachricht von einem Verstorbenen weiterzutragen. Der Mann mit dem dann feierlich bitteren Gesicht wurde nie eingelassen. Aber er scharte die Trauernden um sich, wenn der Karren mit dem Leichnam zum Friedhof gezogen wurde. Nicht jeder war halt ein "reicher Stinker". Die wurden in der Kirchen begraben. Eine Sitte, die den Gottesdienstbesuchern an warmen Tagen schon zu schaffen machte.

(RP)
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