Unsere Woche Eltern, entspannt Euch!

Xanten · An den Schulen beginnt mit den Tagen der offenen Tür wieder das Wettrüsten. Verzweifelte Eltern überlegen jetzt wochenlang, auf welche Schule sie ihr Kind schicken sollen. Dabei ist die Antwort eigentlich so einfach wie tröstlich: So viel kann man bei der Schulwahl gar nicht falsch machen.

Die Rotoren einiger Helikoptereltern beginnen jetzt wieder heftig zu drehen, denn die nächste bedeutende Phase im Leben ihres Kindes beginnt: Es kommt in die Grundschule oder - noch heftiger - auf eine weiterführende Schule. Es werden ja wahre Wissenschaften aus der Schulwahl gemacht, so als ob davon abhängt, ob das Kind nun Karriere als neuer Einstein macht oder in der Gosse landet. Einen nicht unerheblichen Anteil daran haben die Schulen der Region, die sich um die Gunst der künftigen Schüler mit Tagen der offenen Tür bewerben, die nicht selten wie Wettrüsten anmuten.

Da müssen alle Schüler für einen Samstag zum Schaulaufen kommen, da werden Geigenklassen, Schach-AGs und kühne Experimente im Physikraum vorgeführt. Da liegen Kekse im Klassenraum und selbst Lehrer, die an 08/15-Tagen im Schlabberpulli zur Schule kommen, tragen das Hemd in der Hose. Nicht zu vergessen die Labelwut an deutschen Schulen: Man ist heute nicht mehr einfach Schule, man ist Mint-Schule, Europaschule oder - der neue Clou - "Schule ohne Rassismus". Als ob es ein eigenes Label dafür geben muss, dass keine Rassisten an der Schule sind.

Die Schulen kämpfen geradezu um Schüler, denn manche Schulleiter sehen in der Zahl der Neuanmeldungen den einzigen Beweis der Qualität ihrer Schule. Also beginnt ein Kampf der Bildungseinrichtungen. Das Gebot der Stunde: Biete immer mehr als Deine Nachbarschule! Denn da draußen sitzen Eltern, die mit ihrem Schwarmverhalten über das Schicksal einer Schule bestimmen können.

Die wahre Botschaft an die Eltern ist: Es gibt nicht die perfekte Schule für ihr Kind, genauso wenig, wie es die komplett unperfekte Schule gibt. Es gibt an jeder Schule gute und schlechte Lehrer, es gibt an jeder Schule für ihr Kind Mitschüler, mit denen es besser oder schlechter auskommen wird.

Und auch wenn es uns die Politik anders verkaufen will, ist die räumliche Ausstattung einer Schule am Ende auch nicht der wichtigste Gradmesser von Qualität der Bildung: Man wird mit einiger Wahrscheinlichkeit auch dann an einer Schule nicht komplett verblöden, wenn der Klassenraum nicht mit einem Whiteboard ausgestattet ist, sondern - old fashioned - mit Tafelkreide. In Wahrheit ist der Schulerfolg nämlich auch davon abhängig, dass Eltern dem Kind mit einer Mischung aus Zuwendung und Vertrauen begegnen.

Es wird natürlich nicht schaden, den einen oder anderen Tag der offenen Tür besucht zu haben. Es hilft aber auch eine kleine Portion Gelassenheit. Vielleicht ist am Ende auch mal ein so pragmatisches Kriterium wie der kurze Schulweg ein Entscheidungsgrund.

Der Autor dieser Zeilen ging übrigens in einer Stadt zur Schule, in der es nur ein Gymnasium gab. Sofern er sich erinnert, hat er damals vorher auch einen Tag der offenen Tür besucht. Und wenn er zurückdenkt, war der einzige prägende Eindruck von Tagen der offenen Tür damals, dass der Physiklehrer die Funktion des Flaschenzugs demonstrieren wollte, indem er sich mittels einer Schlaufenvorrichtung von seinen Schülern an die Decke des Physiksaals heben ließ. Für eine halbe Stunde ließen die Schüler ihn nicht runter. Manchmal kann das Entscheidungskriterium für die Wahl einer Schule ein ganz profanes sein. Und sei es nur der 30 Minuten an der Decke hängende Physiklehrer.

In diesem Sinne: Entspannt Euch!

IHRE MEINUNG? SCHREIBEN SIE: SEBASTIAN.PETERS@RHEINISCHE-POST.DE

(RP)
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